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Im Strudel der Gefuehle

Titel: Im Strudel der Gefuehle
Autoren: Elizabeth Lowell
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Prolog
    London 1867
    »Dich soll ich heiraten, mein Elfchen?« Wolfe Lonetree lachte lauthals, während er sie über die Tanzfläche wirbelte. »Mach dich nicht lächerlich. Warum sollte sich ein Halbblut und Mustangjäger wie ich mit einer englischen Aristokratin einlassen?«
    »Ich bin schottischer und nicht englischer Abstammung«, sagte Jessica Charteris automatisch.
    »Ich weiß.« Wolfe setzte sein altbekanntes Lächeln auf, und sofort mußte sie an die alten Zeiten denken. Damals zog er sie ständig an ihren langen Zöpfen, um sie zu ärgern. »Du läßt dich immer noch genauso leicht an der Nase herumführen wie damals; wie eine hungrige Forelle schnappst du nach jedem Köder.«
    Jessica überspielte die innere Unruhe und Besorgnis, die sich unter ihrem koketten Auftreten verbargen, indem sie zu Wolfe aufschaute und ihn unbekümmert anlächelte.
    »Es wäre eine vollkommene Verbindung«, versuchte sie ihn zu überreden. »Du brauchst keine Erben, weil du weder Land noch einen Adelstitel besitzt. Ich brauche kein Geld, und auf die Freuden des ehelichen Lagers bin ich auch nicht gerade wild. Wir haben beide Spaß an einer guten Unterhaltung und können auch einfach nur still beisammensitzen. Wir reiten und jagen gerne und genießen es, vor dem Kaminfeuer zu sitzen und zu lesen. Was sonst kann man von einer guten Ehe erwarten?«
    Wolfes amüsiertes Gelächter erregte die Aufmerksamkeit mehrerer adliger Damen und Herren, die die Feier zu Jessicas zwanzigstem
    Geburtstag mit ihrer Anwesenheit beehrten. Wolfe schenkte der aristokratischen Gesellschaft und ihren mißbilligenden Blicken keine Beachtung. Der Mann, den man »den wilden Sohn des Grafen« nannte, hatte längst eingesehen, daß er nach Amerika gehörte und nicht nach England. Hier legte man auf Adelstitel großen Wert und begegnete seiner unehelichen Abstammung sowieso nur mit Verachtung.
    »Dich soll ich also heiraten.«
    Kopfschüttelnd wiederholte Wolfe die Worte, während er den kleinen Rotschopf in seinen Armen liebevoll betrachtete. Ihr Haar war von einem so tiefen Kastanienbraun, daß nur der helle Sonnenschein sein geheimnisvolles Feuer zum Leuchten brachte.
    »Ach, Elfchen, wie habe ich deine Schlagfertigkeit und deine scharfe Zunge vermißt! In den wenigen Minuten, seitdem ich hier angekommen bin, habe ich mehr gelacht als in all den Jahren, in denen wir uns nicht gesehen haben. Ich werde Sir Robert sagen, er soll dich auf seinen nächsten Jagdausflug mitnehmen. Oder vielleicht ist ja dein zukünftiger Ehemann selbst ein Jäger. Wie war doch gleich sein Name — Lord Gore? Ich hatte noch nicht das Vergnügen, deinen Verlobten kennenzulernen. Ist er heute abend auch hier?«
    Jessica geriet vor Schreck sofort aus dem Takt. Wolfe fing sie mit derselben ungezwungenen Eleganz auf, die all seinen Bewegungen anhaftete, und zusammen drehten sie sich erneut im Dreivierteltakt.
    »Verzeih mir«, murmelte er. »Ich bin heute abend etwas ungeschickt.«
    »Du bist wie eine große, schwarze Raubkatze, und das weißt du ganz genau. Wenn einer von uns beiden ungeschickt ist, dann bin ich es.«
    Obwohl Jessicas Stimme unbeschwert klang, spürte Wolfe, daß sich hinter ihrer sorglosen Fassade noch etwas anderes verbarg. Ohne genau zu wissen, wonach er suchte, beobachtete er sie mit seinen dunklen Augen, während sie miteinander tanzten. Verschwunden war das dürre kleine Mädchen mit den eisblauen Augen, dem feuerroten Haar und dem spontanen Lachen. An ihre Stelle war eine bemerkenswerte junge Frau getreten, die eine beunruhigende Wirkung auf seine Sinne ausübte; eine Wirkung, die er sich schon seit Jahren nicht einzugestehen gewagt hatte.
    »Ein ungeschicktes Elfchen?« fragte Wolfe. »Unvorstellbar, mein Schätzchen. Genauso unvorstellbar wie eine Ehe zwischen einem unehelichen Halbblut und Lady Jessica Charteris.« Sein Lächeln wirkte durch seine weißen Zähne vor dem Hintergrund seiner dunklen Haut noch strahlender. »Was für eine lebhafte Fantasie du doch hast. Ich bin wirklich beeindruckt von deinem wachen Verstand.«
    Erneut stolperte Jessica, und wieder wurde sie mühelos von dem Mann aufgefangen, der sie zu den erlesenen Klängen des Walzers in den Armen hielt. Doch sogar hier auf der Tanzfläche war Wolfes Kraft offensichtlich. Jessica hatte seine Kraft stets als eine Zuflucht gesehen, sogar während all der langen Jahre fern voneinander. Sie hatte von ihren Erinnerungen und dem Bewußtsein gezehrt, daß es auf der ganzen Welt einen sicheren
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