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Schnitzelfarce

Schnitzelfarce

Titel: Schnitzelfarce
Autoren: Gmeiner-Verlag
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schlechten Eindruck bei den Nachbarn .«
    Suber nickte gedankenverloren. »Ich werde mich bemühen, die
wichtigsten Mitarbeiter für morgen Vormittag in das Büro in der Singerstraße zu
bestellen. Wäre das in Ordnung ?«
    Wallner blickte auf seine Uhr. Ein früheres Treffen war
praktisch wohl kaum möglich. »9 Uhr morgen früh wäre gut«, meinte er. »Aber
machen Sie den Leuten klar, dass wir sie ins Kommissariat bestellen müssten,
falls sie nicht freiwillig zu diesem Termin erscheinen .«
    »Wenn möglich, lassen Sie bitte auch eine Liste der in letzter
Zeit gekündigten Mitarbeiter anfertigen. Solche Leute kommen manchmal auf so
abwegige Ideen«, fügte Franca noch hinzu. Und Helmut Wallner musste wieder
einmal anerkennen, dass seine Freundin auch beruflich große Klasse war.

2
    »Wien ist
anders .« Nicht mit »ß« oder »ss« im Verbum, sondern
schlicht und einfach mit nur einem »s«. Soll also heißen, dass diese Stadt
anders ist als Zürich, Berlin, Mailand oder Prag. Und jede andere Stadt auf
dieser Welt. Dass Wien also vorgibt, anders zu sein als z. B. Berlin, bedeutet
gleichzeitig, dass Berlin wiederum anders sein muss als Wien. Und damit auch
jede andere Stadt. Denn es wird doch niemand ernsthaft behaupten wollen, dass
Berlin nicht anders wäre als Zürich, Mailand oder Prag.
    Niemand konnte sich aber damit ausreden,
nicht vor der Andersartigkeit Wiens gewarnt worden zu sein. Wo und wie auch
immer man nach Wien hereinkam, über die Autobahnen, den Flughafen oder die
Bahnhöfe, überall fanden sich diese großen Tafeln, auf denen die für die
Stadtverwaltung offenbar so wichtige Feststellung affichiert worden war.
    Entweder waren alle, die in die
Bundeshauptstadt strömten besonders mutig oder sie nahmen die Drohung nicht
weiter ernst, denn es ist kein einziger Fall bekannt, in dem auch nur ein
Besucher die ›andere Stadt‹ fluchtartig wieder verlassen hätte. Zumindest nicht
sofort.
    Dieser Tage war Wien aber anders ›anders‹ und damit auch
tatsächlich. Zumindest ein bisschen. Schuld daran war die unheilvolle zeitliche
und damit auch thematische Verquickung der letzten bürokratischen Dummheit aus
Brüssel mit dem derzeit seiner heißen Phase zustrebenden Wiener Landtags- und
Gemeinderatswahlkampf. Und diese Dummheit hatte einen Namen. Sie hieß ›Neue
EU-Gastronomierichtlinie‹.
    Begonnen hatte die ganze Angelegenheit mit einem zunächst von
den meisten Lesern noch milde belächelten Artikel im ›Neuen Wiener Tagblatt‹
vom 28. Juli.
     
    »Neue EU-Gastronomierichtlinie − Streit um Spezialitätenliste.«
    Brüssel: Was zunächst eher operettenhaft
anmutet, scheint sich tatsächlich in einen handfesten Streit zwischen
Österreich und seinen Nachbarn Italien, Ungarn, der Tschechischen Republik und
Deutschland auszuwachsen.
    Dabei geht es um die Aufnahme der
heimischen Gerichte ›Fiakergulasch, Schweinsbraten und Wiener Schnitzel‹ in die
so genannte ›Spezialitätenliste‹, der Grundlage für die neue ›Europäische
Speisenkarte‹.
    Die Ungarn beanspruchen das Gulasch, der
Schweinsbraten wird sowohl von den Bayern als auch den Tschechen als typisch
für ihre Küche reklamiert. Am meisten gestritten wird aber um das Wiener
Schnitzel, von dem die Italiener behaupten, dass es sich bloß um eine spezielle
Form des ›Mailänder Schnitzels‹ handle. Dessen Rezept vom legendären
Feldmarschall Radetzky gestohlen und gegen jedes Völkerrecht nach Wien entführt
worden sei.
    Mit Ausnahme der Italiener haben alle
Verhandlungsteams bereits Kompromissbereitschaft signalisiert. Unsere südlichen
Nachbarn dagegen bestehen auf ihrem Standpunkt und drohen mit ihrem Veto, falls
Wien das Schnitzel nicht aufgibt. Ein gastronomiepolitisch einmaliger Eklat mit
Auswirkungen auf die gesamte EU kann nicht ausgeschlossen werden.
     
    Nachdem die ›BIB - Bin Im Bild‹, die
auflagenstärkste Vertreterin der Yellow Press im Lande der Lipizzaner und
Mozartkugeln die unheimliche Sprengkraft dieses Themas erkannt und zur Stopfung
des traditionellen Sommerlochs für ihre Zwecke instrumentalisiert hatte, kam
auch die Politik nicht mehr um dieses heiße Eisen herum. Als Erster wetterte
der bis dahin unbekannte Falk Geyer, der Spitzenkandidat der erstmals
antretenden Bürgerliste ›Wehrhafte Demokaten (WD)‹ gegen die ›Neu aufkeimenden
Gemeinheiten der Welschen‹ und bewies damit eindrucksvoll die Richtigkeit
zweier in diesem Konnex in den Medien
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