Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Schneller als der Tod

Schneller als der Tod

Titel: Schneller als der Tod
Autoren: Josh Bazell
Vom Netzwerk:
und lege den Unterschenkel möglichst vorsichtig auf die Regalkante, so nah wie möglich am Knöchel. Ich verlagere meinen Griff mehr zum Knie hin. Dann reiße ich den Knochen nach unten, breche ihn ein Stück über dem Fußgelenk ab und drehe ihn oben aus dem Gewirr der Bänder, die das Knie zusammenhalten.
    Schmerzen.
    Schmerzen.
    Wenn Sie am ganzen Körper vor Schweiß glänzen, obwohl Sie sich in einem Gefrierraum aufhalten, wissen Sie, dass Sie zu weit gegangen sind.
    Und auch, wenn Sie ein Messer in der Hand halten, das Sie gerade aus Ihrem eigenen Wadenbein gemacht haben.

    Irgendwann wird die Tür aufgeschlossen, dann geöffnet, und jemand sagt: »Komm raus.«
    Ich rühre mich nicht. Ich lehne am hinteren Regal und bemühe mich, die tränenden Augen offen zu halten, um mich möglichst schnell an das Licht zu gewöhnen, das im Moment eine tosende Wand aus reinem Weiß ist. Das Messer halte ich hinter seinen Verwandten im rechten Unterarm versteckt.
    Ein Mann mit Pistole wird als Schattenriss sichtbar und sagt: »Rauskommen, sag ich... du
lieber
Gott!« Dann sagt er: »Er ist da hinten. Aber er ist voll Blut, Mr Locano.«
    Eine Schar anderer Männer mit Schusswaffen taucht hinter ihm auf, um zu gucken. »Ach du Scheiße«, sagt einer von ihnen.
    Dann redet Skinflick. Ich erkenne seine Stimme, auch wenn sie rauer ist als früher. Tiefer und mit einem merkwürdigen neuen Pfeifen drin.
    »Holt ihn da raus«, sagt Skinflick.
    Keiner rührt sich.
    »Es ist bloß Hepatitis«, sage ich. »Die fängst du dir schon nicht, wenn du mich anfasst.« Alle weichen von der Tür zurück. »Fickt euch doch«, sagt Skinflick.
    Er kommt in Sicht. Allzu gut kann ich ihn nicht sehen, da er im Licht steht und meine Augen noch verrückt spielen. Aber er sieht nicht gut aus. Genaugenommen sieht er aus, als hätte man einem Vierjährigen einen Adam-Locano-Baukasten gegeben, der erst für Kinder ab 9 geeignet ist. Sein ganzer Kopf ist Stückwerk.
    Ich sollte etwas sagen. Ich bin nackt, bis auf das Blut. Mein eigenes und den Extrabeutel, mit dem ich mich eingeschmiert habe, um die Aufmerksamkeit von meinem mit dem Klinikhemd abgeschnürten rechten Bein abzulenken. Der ganze Raum ist voll Blut.
    Ich weiß nicht, ob Skinflick das was ausmacht. Im Hereinkommen schwenkt er das rückhand gehaltene Messer. Die Klinge ist geschlängelt, mit einem Muster an der Seite, wahrscheinlich kommt es also aus Indonesien.
    Skinflick ist nicht schlecht. Er hält das Messer ständig in Bewegung, wie eine als Schild fungierende Elektronenwolke. Ganz die idealistische Schule. Aber in dem Moment, wo er
mein
Messer sieht - Qualitätsprodukt aus meinem eigenen Fleisch und Blut -, stockt er, zuckt überrascht und erschrocken zurück und bietet mir seine ganze rechte Seite dar.
    »Mensch, Skinflick«, sage ich.
    Ich steche unmittelbar rechts unter seinem Brustkorb zu und führe den Stich durch die natürliche Öffnung in seinem Zwerchfell nach oben, so dass das gezackte Ende meines Wadenbeins seine Aorta durchbohrt, bevor es in seinem schlagenden Herzen zur Ruhe kommt.
    Seinem bis dahin schlagenden Herzen, meine ich.
     

Kapitel 24
    Das Nächste, woran ich mich erinnere, ist, dass ich aufwache. Danach erinnere ich mich, dass ich dachte:
Für einen, der immer klagt, dass er nicht zum Schlafen kommt, wache ich verdammt oft auf.
    Ich bin in einem Krankenhausbett. Professor Marmoset sitzt in dem Stuhl von La-Z-Boy am Kopfende und liest und markiert offenbar einen Zeitschriftenartikel.
    Wieder einmal verblüfft mich, wie jung er aussieht. Professor Marmoset hat etwas Altersloses, das davon kommt, dass er klüger und besser informiert ist, als beispielsweise ich jemals sein werde, und wirklich volles Haar hat. Aber er kann nicht viel älter sein als ich.
    »Professor Marmoset!«, sage ich.
    »Ismael! Sie sind wach«, sagt er. »Gut. Ich muss nämlich hier raus.«
    Ich setze mich auf. Mir ist schwindlig, aber ich bleibe auf einen Arm gestützt sitzen. »Wie lange war ich bewusstlos?«, sage ich.
    »Nicht so lange, wie Sie meinen. Ein paar Stunden. Ich bin gleich nach unserem Anruf in ein Flugzeug gestiegen. Sie sollten sich hinlegen.«
    Ich lege mich hin. Schiebe die Bettdecke beiseite. Mein rechtes Bein ist dick verbunden. Überall habe ich noch getrocknete Blutflecke an mir. »Was ist passiert?«, sage ich.
    »Sie verstehen mehr von Chirurgie, als ich dachte«, sagt Professor Marmoset. »Das mit dem nicht vorhandenen Osteosarkom bei der jungen Frau war eindrucksvoll.
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher