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Schwarze Seide, roter Samt

Titel: Schwarze Seide, roter Samt
Autoren: Ann Carlott Fontana
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Kapitel 1
     
    Hauchfeine schwarze Träger über runden Schultern. Kühl
und glatt schmiegte sich die Seide an den Körper. Ein
Streifen Haut war zu sehen, dort, wo das Hemdchen aufhörte
und der Slip begann. Es war eine Andeutung von einem Slip.
Ganz und gar aus Spitze, tiefschwarz, von durchsichtiger Indiskretion
lenkte er den Blick eines jeden möglichen Beobachters
auf den dichten dunklen Flaum zwischen den Beinen, betonte die
leichte Rundung der Hüften, war an den Seiten ausgeschnitten
bis fast zur Taille hinauf, was den Beinen eine scheinbar unendliche
Länge verlieh. Die Beine waren gerade und glatt, schlank und
schön geformt. Sie endeten in schwarzen Lackschuhen mit 15
Zentimeter hohen Absätzen – Absätze, so dünn und scharf wie
gefährliche Dolche, Absätze, die bei jedem Schritt laut klackten,
die den Eindruck von aggressiver, sinnlicher Weiblichkeit vermittelten.
    Marion fand, sie sehe zehn Jahre älter aus in dieser Aufmachung.
Mindestens zehn Jahre. Wie achtundzwanzig statt achtzehn.
Sie stand vor dem Spiegel und musterte sich eingehend.
Langes blondes Haar fiel ihr über die Schultern bis fast zum Po.
Sie hatte leuchtend grüne Augen, eine zarte, gerade Nase und
einen vollen Mund. Um den Eindruck des Bildes »Marion in
verführerischer Wäsche« zu vervollkommnen, hatte sie den
Mund heute in einem tiefen Dunkelrot angemalt. Ein provokanter
Mund, eine Spur vulgär, gerade genug, um ihn noch verführerischer
zu machen. Sie spitzte ihn ein wenig, reckte das Kinn,
hob den Kopf. Die vollendete Femme fatale. Vollendet? »Sie
sollten sich überlegen, ob Sie nicht noch einen Strumpfgürtel und
ein paar Strümpfe kaufen wollen«, sagte die Verkäuferin hinter
ihr. Marion zuckte zusammen. Sie hatte fast vergessen, daß sie
sich in einem Geschäft befand und nicht bereits in einem luxuriösen Hotelzimmer mit dem Mann ihrer Träume. »Einen…
Strumpfgürtel?«
    »Wir haben ein paar ganz bezaubernde Exemplare da.« Spitzen
und Rüschen, alles in Schwarz, wogten in den Händen der Verkäuferin.
Marion betrachtete die hübsche kleine Frau mit dem
üppigen Körper und überlegte, ob sie unter dem roten Kostüm
auch schwarze Wäsche trug. Soviel sie wußte, handelte es sich
um die Inhaberin des Geschäftes. Sicher mußte sie schon von
Berufs wegen besonderen Wert auf ihre Wäsche legen. Als sie
sich nun nach vorn neigte, um einen Strumpf aufzuheben, der ihr
hinuntergefallen war, konnte Marion im Ausschnitt des Kostüms
cremefarbene Spitze sehen. Auf der ganz mit Sommersprossen
gesprenkelten Haut der Frau wirkte das überraschend reizvoll.
Wie als Antwort auf Marions unausgesprochene Frage sagte sie
nun: »Ich trage auch immer Strumpfgürtel und Strapse. Sie glauben
gar nicht, wie begehrenswert das eine Frau in den Augen der
Männer macht. Lassen Sie einen Mann ahnen, daß Sie aufregende
Wäsche tragen, und er wird einen ganzen Abend lang darüber
nachdenken, was für eine bezaubernde und attraktive Frau Sie
doch sind.« Der Gedanke gefiel Marion. Daheim hatten einmal
zwei Jungs aus der Schule, mit denen sie ausgewesen war, nachher
über sie gesagt, sie plappere reichlich naiv und einfältig vor
sich hin. Eine Freundin hatte ihr das hinterbracht. Marion war
sehr gekränkt gewesen, aber nun überlegte sie, daß kein Mann sie
je wieder für naiv und einfältig halten konnte, wenn sie diese
aufregende Wäsche trug. Letztlich würde sie ihn damit viel mehr
fesseln als all die langweiligen Emanzen, die glaubten, es interessiere
einen Mann, wenn sie ihm stundenlang weltanschauliche
Vorträge hielten. Sie stellte sich vor, wie die Frau vor ihr nach
Hause kam, wie sie aus ihren Pumps glitt und ihre Kostümjacke
auszog – die Spitzen zeichneten helle Linien auf ihre gesprenkelte
Haut. Wahrscheinlich zog sie den engen Rock dann auch noch
aus, stand in Höschen und Strumpfhaltern da, ging in ihrer
Wohnung umher, räumte hier und da etwas zur Seite, bereitete
das Abendessen vor, und ihr Mann verfolgte sie mit seinen Blicken, malte sich die Freuden der folgenden Nacht aus. Wie leicht
konnte der Sieg über die Männer sein! »Ja«, sagte Marion, »ich
möchte einen Strumpfgürtel anprobieren.« Sie hatte monatelang
gespart, um sich diese exquisite Wäsche leisten zu können. Im
März hatte ihr Vater zum ersten Mal davon gesprochen, den
Sommer in Torremolinos an der spanischen Costa del Sol zu
verbringen. »Da haben wir wenigstens mit Sicherheit schönes
Wetter.
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