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Schneller als der Tod

Schneller als der Tod

Titel: Schneller als der Tod
Autoren: Josh Bazell
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Verrücktes und Dummes, mit so geringer Aussicht auf Erfolg, dass ich es niemals versuchen würde, wenn nicht ein kleiner Hoffnungsschimmer darin verborgen läge.
    Ich werde bei der Ausführung unerhört leiden.
    So sehr, dass ich, wenn es gutgeht und ich am Leben bleibe, das vielleicht sogar verdiene.

    Hält man die Ferse am Boden, stellt den Fuß auf und spreizt die Zehen auseinander (nicht ganz einfach - man wird daran erinnert, dass man ein Primat ist), dann bildet sich eine deutlich sichtbare Rinne an der Außenseite des Unterschenkels, zwischen den Muskeln des Schienbeins und den Wadenmuskeln. Diese Rinne möchte ich aufschneiden.
    Ich knie mich neben die Bodenplatte und drücke das rechte Schienbein so darauf, dass ihre scharfe Ecke mir unterhalb des Knies ins Fleisch schneidet. Lieber würde ich das mit dem linken Schienbein machen, aber da käme ich mit der rechten Hand zu schlecht dran. Also stoße ich mein rechtes Schienbein auf die Ecke und drücke es nach vorn.
    Es klappt nicht. Ich habe kaum einen Kratzer. Unbewusst muss ich im letzten Moment den Druck zurückgenommen haben, um mir nicht die Haut aufzureißen.
    Ich betäube mein Schienbein mit einem Eisbeutel Blut, und als ich es diesmal über die scharfe Ecke ziehe, drücke ich mit der rechten Hand die Wade runter, damit das Bein nicht meutert. Klar, das Bein
will
meutern, aber diesmal ist es zu schwach, und die Haut reißt auf.
    Vor Schmerz wälze ich mich auf den Rücken, halte das Knie vor der Brust umklammert und tue, was ich kann, um nicht aus den Augen zu schreien. Aber in dieser Stellung merke ich, dass mein Fuß an der Oberseite mit einem Schlag völlig taub geworden ist, bis auf die Schwimmhaut zwischen dem großen Zeh und seinem Nachbarn. Hervorragend: Ich habe mich so tief geschnitten, dass ich den über dem Muskel liegenden Nerv durchtrennt habe.
    Ich warte eine Weile, um zu sehen, ob ich auch die an dem Nerv entlanglaufende Schlagader durchtrennt habe - ob ich mich also umgebracht habe und mich für die letzten Augenblicke meines Lebens entspannt zurücklehnen kann -, dann betaste ich vorsichtig den Schnitt und vergewissere mich, dass er lang genug ist. Ist er: Er geht etwa drei Viertel bis zum Fuß hinunter. Also wälze ich mich herum und drücke den Schnitt auf den eisigen Boden, um den Schmerz ein wenig zu betäuben und die Blutung zu stillen. Ich kann nicht genau sagen, ob das wirkt.
    Aber wann, wenn nicht jetzt? Ich setze mich auf den Hintern. Mein ohnehin schon straffer Hodensack zieht sich so schnell noch fester zusammen, dass es sich anfühlt, als wollte er mir die Hoden in den Schädel katapultieren. Ich stoße die Finger beider Hände in meine Beinwunde.
    Eine ganz neue Art von Schmerz erfasst mich, er reicht bis in die Hüfte hinauf, und mir wird klar: Noch mal kann ich das nicht. Also zwänge ich die Fingerspitzen zwischen die warmen Muskelstränge.
    Die sich, so glitschig sie sind, zu Stahlkabeln zusammenziehen und mir fast die Finger brechen. »Leckt mich!«, rufe ich aus, ziehe sie mit Gewalt auseinander und schiebe die Finger der rechten Hand tiefer hinein. Ich spüre das Pulsen der Schlagader an den Fingerknöcheln.
    Dann ist es so weit: Ich berühre mein rechtes Wadenbein.
    Wadenbein und Schienbein entsprechen, wie ich bereits erwähnt habe, den beiden parallel angeordneten Knochen des Unterarms. Aber anders als im Unterarm leistet der kleinere der beiden - das Wadenbein - nicht annähernd so viel wie der größere. Sein oberes Ende bildet einen unwesentlichen Teil des Knies, und sein unteres ist der äußere Fußgelenkknochen. Alles andere an ihm ist völlig unnütz. Er trägt noch nicht mal Gewicht.
    Also stoße ich die Finger durch die Bindegewebshaut zwischen Schien- und Wadenbein und packe den Knochen. Er ist etwa dreimal so dick wie ein Bleistift, aber nicht rund. Er hat scharfe Kanten.
    Und jetzt muss ich ihn brechen. Im Idealfall ohne mein Fußgelenk oder mein Knie kaputtzumachen. Schon bei dem Gedanken kommt es mir hoch, und ich drehe den Kopf weg und kotze mir links an der Brust herunter. Viel kommt nicht, aber hey - es ist warm. Und um keinen Preis lasse ich das Wadenbein los.
    Aber Scheiße nochmal, wie soll ich es brechen? Es ist im Grunde aus Stein. Jeder Schlag, der stark genug ist, es zu brechen, kann es ebenso gut zertrümmern. Ich überlege, ob ich es in die scharfe Kante des untersten Regals rammen soll, aber dabei verletze ich wahrscheinlich eher den Schienbeinknochen.
    Dann hab ich's. Ich rutsche vor
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