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Schneller als der Tod

Schneller als der Tod

Titel: Schneller als der Tod
Autoren: Josh Bazell
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ihm machen, nur wäre er dann wach.
    Ich klopfe ihn nach einem Handy ab. Schön wär's, und mein eigenes benutze ich natürlich nicht. Würde mein Bruder wollen, dass ich Scherereien mit den Bullen bekomme, wenn ich einen hätte?
    Stattdessen hebe ich den Dödel hoch und lege ihn mir über die Schulter. Er ist leicht und stinkt wie ein uringetränktes Handtuch.
    Und bevor ich aufstehe, hebe ich noch seine Waffe auf.
    Die Kanone ist ein echtes Scheißding. Zwei gepresste Blechteile - nicht mal Griffschalen - und eine etwas schief sitzende Trommel. Sie sieht aus, als hätte sie als Startpistole in einem Stadion das Licht der Welt erblickt. Eine Sekunde lang bin ich froh, dass es 350 Millionen Faustfeuerwaffen in den USA gibt. Dann sehe ich die glänzenden Messingköpfe der Patronen und werde daran erinnert, wie leicht es ist, jemanden umzubringen.
    Ich sollte sie wegschmeißen. Den Lauf abknicken und sie in einen Gully werfen.
    Stattdessen stecke ich sie in die hintere Tasche meiner OP-Hose.
    Alte Gewohnheiten wird man so schnell nicht los.
    Im Aufzug nach oben zur Internistischen Abteilung steht eine kleine blonde Arzneimittelvertreterin im schwarzen Partykleid, mit einem Trolley. Sie hat eine flache Brust, und die Wölbung ihres Rückens lässt den Po hervortreten, so dass sie wie eine schlanke, sexy Kidneybohne daherkommt. Sie ist sechsundzwanzig nach etwas zu ausgiebigem Sonnenbaden*, (
Ärzte wissen immer, wie alt jemand ist. Wir nützen das als Lügenbarometer. Es gibt etliche Formeln zur Altersberechnung - Falten am Hals plus Venen auf dem Handrücken etc. -, aber die sind eigentlich nicht nötig. Wenn Sie täglich mit 30 Leuten sprechen und sie nach dem Alter fragen würden, hätten Sie den Bogen auch bald raus
) und ihre Nase sieht aus, als wäre sie schönoperiert, ist sie aber nicht. Sommersprossen, ohne Scheiß. Ihre Zähne sind das Sauberste im ganzen Krankenhaus.
    »Hi«, sagt sie, als ob sie aus Oklahoma kommt. »Kenne ich Sie?«
    »Noch nicht«, sage ich. Und denke:
Weil du neu in dem Job bist, sonst müsstest du um diese Zeit nicht ran.
    »Sind Sie ein Krankenwärter?«, fragt sie.
    »Ich bin Assistenzarzt im ersten Jahr, Innere Medizin.«
    Assistenzärzte im ersten Jahr, frisch von der Uni, sind normalerweise rund sechs Jahre jünger als ich. Was ein Krankenwärter ist, weiß ich nicht. Es hört sich an wie jemand, der in der Heilanstalt arbeitet, falls es noch Heilanstalten gibt.
    »Wow«, sagt die Arzneimittelvertreterin. »Für einen Arzt sehen Sie süß aus.«
    Wenn sie mit »süß« brutal und dümmlich meint, wie nach meiner Erfahrung die meisten Frauen, dann hat sie recht. Mein OP-Hemd sitzt so knapp, dass man die Tattoos auf meinen Schultern sieht.
    Schlangenstab auf der linken, Davidstern auf der rechten.*
(Das Tattoo auf meiner linken Schulter - geflügelter Stab mit zwei Schlangen - ist effektiv das Sinnbild für Hermes und damit für den Handel. Das Symbol für Äskulap und damit für die Medizin ist ein ungeflügelter Stab mit nur einer Schlange. Hätten Sie's gewusst?
)
    »Sind Sie aus Oklahoma?«, frage ich sie. »Allerdings.«
    »Sind Sie zweiundzwanzig?«
    »Schön wär's. Vierundzwanzig.«
    »Sie haben ein paar Jahre abgezogen.«
    »Ja, aber mein Gott, das ist eine öde Geschichte.«
    »Es macht auch nichts. Wie heißen Sie?«
    »Staaaaacey«,
sagt sie und kommt, die Arme hinterm Rücken, einen Schritt näher.
    An dieser Stelle sollte ich erwähnen, dass chronischer Schlafentzug dem Alkoholrausch nachweislich so ähnlich ist, dass man sich in Krankenhäusern oft wie auf einer Marathon-Weihnachtsbetriebsfeier vorkommt. Nur hat der Schmock, der auf der Weihnachtsfeier neben einem steht, selten vor, einem die Bauchspeicheldrüse mit dem sogenannten Hotknife zu bearbeiten.
    Außerdem sollte ich klarstellen, dass Pharmavertreterinnen, von denen in den Staaten eine auf sieben Ärzte kommt, fürs Flirten bezahlt werden. Oder dafür, dass sie tatsächlich mit einem schlafen - ich bin noch nicht ganz dahintergekommen.
    »Bei welcher Firma sind Sie?«, frage ich. »Martin-Whiting Aldomed«, sagt sie.
    »Haben Sie Moxfan?«
    Moxfan ist das Medikament, das Bomberpiloten bekommen, die von Michigan zum Bombenabwerfen in den Irak und wieder zurückfliegen sollen, ohne anzuhalten. Man kann es schlucken oder als Treibstoff benutzen.
    »Allerdings. Aber was krieg ich dafür?«
    »Was möchten Sie denn?«, sage ich.
    Sie steht direkt vor mir. »Was ich
möchte?
Wenn ich darüber erst nachdenke, fange
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