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Schneller als der Tod

Schneller als der Tod

Titel: Schneller als der Tod
Autoren: Josh Bazell
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dass da jemand im Dunkeln ist. Das Zimmer stinkt nach schlechtem Atem und anderen Ausdünstungen.
    »Akfal?«, sage ich, obwohl ich weiß, dass es nicht Akfal sein kann. Akfals Duft nehme ich mit ins Grab. Das hier ist schlimmer. Es ist schlimmer als Duke Mosbys Füße.
    »Nein, Mann«, kommt es leise aus der Ecke mit dem Etagenbett.
    »Wer zum Teufel sind Sie denn?«, knurre ich. »OP-Geist«**,
(Dahinter verbirgt sich ein Job, auf den sich nicht näher einzugehen lohnt.)
sagt die Stimme.
    »Was machen Sie dann im Bereitschaftsraum der Inneren?«
    »Ich... ich brauchte einen Platz zum Schlafen, Mann.« Wo ihn niemand sucht, meint er.
    Toll. Nicht nur, dass der Typ den Bereitschaftsraum verpestet, er belegt auch noch das einzige verfügbare Bett, da auf dem oberen eine komplette Sammlung Oui-Hefte von Jahrgang 1978 bis 1986 lagert, die wegzuschaffen, wie ich aus Erfahrung weiß, eine Quälerei ist.
    Ich überlege, ob ich ihn einfach in Ruhe lassen soll, weil der Raum riecht, als wäre in absehbarer Zeit kein Aufenthalt darin mehr möglich. Aber ich habe den Moxfan-Kribbel™, und man muss immer auch an Abschreckung denken.
    »In fünf Minuten sind Sie hier weg«, sage ich ihm. »Sonst schütte ich Ihnen eine Flasche Urin aufs Haupt.«
    Im Rausgehen schalte ich das Licht an.

    Ich fühle mich schon wieder etwas klarer, aber noch nicht so klar, dass ich mit Patienten reden möchte, also sehe ich mir Laborwerte auf dem Computer an. Die meisten hat Akfal schon in die Krankenakten eingefügt. Aber den pathologischen Befund eines Patienten von Dr. Nordenskirk hat er nicht angerührt, weil der Mann versichert ist. An versicherte Patienten lässt Dr. Nordenskirk keinen ran, der nicht weiß oder Asiat ist.
    Ich sehe mir den Befund auf dem Schirm an. Es ist ein Haufen schlechter Neuigkeiten für einen gewissen Nicholas LoBrutto. Der Italonamen-Alarm in meinem Kopf schrillt, aber ich bin mir ziemlich sicher, dass ich von dem Typ noch nie gehört habe. Und außerdem kommen Mobster - wie die meisten Leute, die sich's aussuchen können - nicht ins Manhattan Catholic. Deshalb lässt man mich ja hier arbeiten.
    Der Schlüsselsatz in dem Befund ist »Siegelringzellen positiv«. Eine Siegelringzelle sieht unterm Mikroskop wie ein Ring mit einem Diamanten aus (oder eben mit einem Siegel, falls Sie Ihre Briefe noch mit Wachs verschließen), da der in die Mitte gehörende Zellkern an den Rand gedrängt worden ist von den Proteinen, die die Zelle unaufhörlich produziert, weil sie verkrebst ist. Genau gesagt handelt es sich entweder um Magenkrebs oder um einen Krebs, der mal im Magen war und sich jetzt woanders ausbreitet. Im Gehirn oder in der Lunge.
    Magenkrebs ist immer übel, aber Siegelringzellen sind das Schlimmste. Während ein anderer Magenkrebs nur ein Loch in die Magenwand bohrt, so dass man, wenn man sich den halben Magen rausnehmen lässt, zwar nicht mehr fest scheißen, aber immer noch einigermaßen leben kann, befällt Siegelringzellenkrebs die Magenschleimhaut lateral, verhärtet die Magenwand und bringt den sogenannten Lederflaschenmagen hervor. Der muss ganz raus. Und bis man die Diagnose bekommt, hat der Krebs dann meistens schon Metastasen gebildet.
    Die CT von Nicholas LoBruttos Bauch gibt keinen Aufschluss darüber, ob sich der Krebs ausgebreitet hat oder nicht. (Aber immerhin hat er durch die Strahlen aus der Tomographie jetzt eine Chance von 1 zu 1200, sich irgendeinen anderen Krebs zuzuziehen. So viel Zeit dürfte ihm bleiben.) Nur ein chirurgischer Eingriff bringt Klarheit.
    Und das alles soll ich ihm jetzt, um halb sieben in der Früh, verbraten.
    Mr LoBrutto? Anruf für Sie auf Leitung eins. Gesagt hat er's nicht, aber es hat sich angehört, als wär's der Schnitter.
    Selbst für mich ist das keine Zeit, um was trinken zu wollen.

    LoBrutto liegt im Anadale-Trakt, der winzigen Luxusstation des Krankenhauses. Der Anadale-Trakt versucht wie ein Hotel auszusehen. Der Empfangsbereich ist mit Linoleum in Holzoptik ausgelegt, und ein Typ im Smoking spielt auf dem Piano.
    Wäre es wirklich ein Hotel, wäre aber die medizinische Versorgung besser.*
(Schlechtere medizinische Versorgung für mehr Geld, meinen Sie, kann nicht sein? Vergessen Sie die achttausend Studien, nach denen die USA pro Kopf doppelt so viel ausgeben wie jedes andere Land, ohne unter die ersten sechsunddreißig zu kommen. Sehen Sie sich Michael Jackson an. Heiße 1960er Schwestern regieren den Anadale-Trakt. Womit ich nicht sagen will, dass sie heute
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