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Schneller als der Tod

Schneller als der Tod

Titel: Schneller als der Tod
Autoren: Josh Bazell
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Philosophien des Messerkampfs gibt: die realistische Schule, der zufolge man im Kampf mit jemandem, der sein Handwerk versteht, immer verletzt wird, also darauf vorbereitet sein soll (das sind die Typen, die sich vor dem Kampf ihre Lederjacken um den linken Vorderarm binden), und die idealistische Schule, der zufolge man so viel Energie wie nötig darauf verwenden sollte, unverletzt zu bleiben. Indem man zum Beispiel niemals einen nichtangreifenden Teil des Körpers weiter nach vorn bringt als die Klinge.
    Beide Schulen halten sich an gewisse Grundregeln. Man muss daran denken, bei jeder Gelegenheit zu treten und zu schlagen, denn Messer sind so beängstigend, dass die Leute alles andere an einem vergessen. Und so lange man ein Messer mit einer scharfen Klinge hat, sollte man niemals versuchen, jemanden zu erstechen. Zustechen ist für die Dummen. Dabei exponiert man den eigenen Körper zu sehr und kann zu wenig ausrichten. Aufschlitzen sollte man hingegen jedes sich darbietende Ziel (etwa die Knöchel der Messerhand des Gegners), im Idealfall die Innenseiten der Arme oder Oberschenkel, wo die größeren Blutgefäße entlanglaufen. Dann verblutet der Gegner, wie die Tiere, die der Hai in freier Wildbahn angreift.
    Im Prinzip - und weil ich statt einer Lederjacke nur ein Klinikhemdehen habe - neige ich den Idealisten zu. Natürlich wäre ich auch geneigt, ein Messer zu haben, was im Moment nicht der Fall ist. Also mache ich mich daran, das zu ändern.
    Zuerst erkunde ich den Kühlraum. An der Decke nur eine Fassung, keine Glühbirne. Eine Menge Regale mit Blutkonserven.
    Vielleicht kann ich einen Blutkonservenschneemann bauen und Skinflick zu Tode ekeln.
    Die Regale selbst sind unbrauchbar. Sie sind mit ihrem Rahmen verschweißt, der aus dicken L-förmigen Eisenstäben besteht, die wiederum mit etwa untersetzergroßen, viereckigen Eisenplatten verschweißt sind, welche am Boden und an der Decke festgeschraubt sind. Die Schrauben sitzen alle zu fest, um sie loszukriegen, zumal ich in den Fingerspitzen immer mehr das Gefühl verliere, auch in den nicht bespeichelten, und meine verletzte Hand innen allmählich steif wird. Auf die Regale zu schlagen ist schwer, weil ich nach oben kaum Platz zum Ausholen habe, und macht mehr Krach, als ratsam sein dürfte, ohne ihnen auch nur eine Delle beizubringen. Der Türgriff bricht noch nicht mal ab, als ich beide Füße gegen die Tür stemme und ziehe.
    Ich überlege, wie es wäre, nur mit den Händen und Füßen zu kämpfen, die sich mittlerweile anfühlen wie an meinen Gliedmaßen befestigte Steaks. Ich denke über eine Strategie nach: Soll ich in Türnähe bleiben oder nicht und so weiter.
    Aber das Denken ohne Bewegung lähmt mich nur wieder. Noch einmal kämme ich den Raum durch. Es ist schwer zu sagen, ob ich wirklich jedes Regal ganz gecheckt habe, wenn ich nichts sehen kann und mein Tastsinn so beeinträchtigt ist, daher fange ich an, mit dem Unterarm zu tasten. Da ist die Nervendichte zwar geringer, aber die bessere Durchblutung macht das wett.
    Schließlich stelle ich fest, dass die Platte am Fuß eines der Eisenstäbe eine scharfe Kante hat. Die Platte ist rund fünfzehn Zentimeter im Quadrat und einen halben Zentimeter dick. Wenn ich sie mitsamt dem dazugehörigen Eisenstab losstemmen könnte, hätte ich eine ziemlich furchterregende Waffe. Ich versuche den Trick mit den Füßen an der Wand nochmal. Aussichtslos. Es zeigt sich lediglich, dass ich schwächer bin als noch vor einer halben Stunde.
    Ich lehne mich gegen die Regale, um zu verschnaufen. Und wenn das Metall mir noch so sehr die Wärme entzieht. Ich muss mir überlegen, was ich mache.
    Oder ob ich überhaupt was mache.
    Was spielt es für eine Rolle? Wenn ich hier rauskomme, sucht David Locano mich eben noch mal und bringt mich um. Da arbeite ich dann wahrscheinlich gerade als Tankwart in Nevada. Stehe den ganzen Tag rum, weil kein Mensch mehr einen Tankwart braucht, alle ziehen ihre Kreditkarte an der Zapfsäule durch.
    Sterbe ich dagegen hier, könnte ich mir immerhin vorstellen, dass es, wie Magdalena glaubte, ein Leben nach dem Tod gibt. Dass jemand patzt und mich reinlässt und ich sie wiedersehe.
    Langsam werde ich ein bisschen wirr und mürrisch. Alles wird abstrakt und geht an mir vorbei. Ich verliere die Kontrolle.
    Das darf nicht sein.
    Ich brauche einen Plan.
    Ich knalle meinen Kopf gegen die Kante des Regals. Der Schmerz macht mich wach. So kann ich mir wenigstens etwas ausdenken.
    Etwas so
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