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Macabros 089: Rückkehr in den Totenbrunnen

Macabros 089: Rückkehr in den Totenbrunnen

Titel: Macabros 089: Rückkehr in den Totenbrunnen
Autoren: Dan Shocker
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Es geschah mitten in der Stadt. Die Frau stand an der
Verkehrsampel, um die Straße zu überqueren, sobald die
Ampel auf Grün sprang. Die Münchnerin war nervös und
hatte es eilig. In einer Stunde schlossen die Geschäfte, dann
mußte sie alles erledigt haben. Am Abend erwartete sie
Gäste.
    Plötzlich stutzte die Frau, als ihr Blick auf die
gegenüberliegende Straßenseite fiel. Unwillkürlich
stockte ihr Herzschlag. Da lief jemand, den sie kannte, den zu sehen
sie aber nicht erwartete. Es handelte sich um eine auffallend
schöne, großgewachsene, dunkelhaarige und langbeinige
Frau. Die Art, wie sie schritt, wie sie sich gekleidet hatte, zog
unwillkürlich den Blick an.
    »Sonja…«, entfuhr es der Beobachterin an der Ampel.
»Das… ist doch… Sonja Wilken!« Angelika Huber
glaubte ihren Augen nicht trauen zu dürfen. »Aber… das
kann nicht sein… Sonja ist doch seit fünf Jahren spurlos
verschwunden…«
     
    *
     
    Die Frau hatte das Gefühl, der Boden unter ihren
Füßen würde sich öffnen.
    Sie schloß zwei Sekunden die Augen und hoffte, daß
alles nur auf Einbildung oder einem Irrtum beruhte. Wenn sie zum
zweiten Mal hinsah, würde Sonja Wilken sicher nicht mehr da sein
und…
    Doch!
    Da drüben lief sie… Das Bild täuschte nicht. Ihr
aufrechter, schneller Gang… ganz typisch für sie.
    Angelika Huber handelte mechanisch. Sie konnte nicht mehr warten,
bis die Ampel umsprang. Sie mußte zu dieser Frau dort
drüben, mußte sie ansprechen, ehe sie in der Menge
verschwand.
    Angelika Huber lief auf die Straße.
    Bremsen quietschten.
    Dicht vor ihr kam ein Wagen gerade noch zum Stehen. Der Fahrer
kurbelte das Fenster herunter und schimpfte lauthals über die
unvorsichtige Frau.
    Angelika Huber blickte sich nicht um.
    »Sonja!« rief sie, so laut sie konnte, rannte dabei
weiter über die Straße, fuchtelte wild mit den Armen und
lief im Zick-Zack zwischen den Autos durch, von denen einige weitere
im letzten Augenblick bremsen konnten.
    Den Fahrern sträubten sich die Haare über den Leichtsinn
und die Unvorsichtigkeit, und sie gaben ihrem Ärger deftigen
Ausdruck.
    Es war ein Wunder, daß es zu keinem Auffahrunfall kam, zu
keiner Gefährdung Angelika Hubers.
    Die Dreißigjährige rannte, so schnell sie ihre Beine
trugen, über den Gehweg und rief den Namen der vermeintlichen
Freundin, die jedoch nicht reagierte, sondern ohne sich umzudrehen
weiterlief.
    Sie verschwand zwischen anderen Passanten.
    Es herrschte lebhaftes Treiben auf der Straße.
    Angelika Huber stieß mit mehreren Passanten zusammen,
murmelte flüchtige Entschuldigungen und rannte weiter.
    »Sonja!« rief sie. »So warte doch… hallo,
Sonja?!«
    Sie genierte sich über ihr eigenes Verhalten. Leute blieben
stehen und blickten ihr kopfschüttelnd nach.
    Aber dann war es ihr egal.
    Dies war ein besonderer Fall. Wenn man jemand wiedersah, der als
verschollen oder gar tot galt, erforderte das ein anderes
Verhalten.
    Sie konnte nicht einfach ruhig hinterherlaufen und riskieren,
daß das Objekt ihres Interesses im Menschengewimmel
verschwand.
    Ihre Verfolgerin erreicht mit einiger Mühe ebenfalls den
Eingang.
    Irritiert blieb Angelika Huber stehen und blickte verwirrt nach
allen Seiten.
    Sie schluckte trocken und ärgerte sich. Von Sonja war weit
und breit nichts mehr zu sehen. Es schien, als hätte sie sich in
Luft aufgelöst…
    Aber nein! Da war sie ja!
    Plötzlich entdeckte Angelika Huber die Boutiquebesitzerin
wieder. Sie stand auf einer Rolltreppe und ließ sich ins
Basement tragen.
    Angelika Huber bahnte sich einen Weg durch das Gedränge und
schaffte es diesmal, in die Nähe der dunkelhaarigen Frau zu
kommen.
    »Sonja!« sagte sie außer Atem. »Mein
Gott… wie bin ich gerannt…« Sie lief drei, vier Stufen
auf der Rolltreppe nach unten, um auf der Höhe der groß
gewachsenen, elegant gekleideten Frau zu sein. Doch die reagierte
nicht auf ihren Anspracheversuch.
    »Hey, Sonja? Was ist denn?« Angelika Huber wurde
unsicher.
    Hatte sie sich so getäuscht? War das gar nicht Sonja Wilken?
War sie eine Doppelgängerin?
    Dieser Gedanke drängte sich nur kurz in den Vordergrund ihrer
Überlegungen. Aber gerade die große Nähe zu ihr
ließ sie diesen Gedanken wieder verwerfen.
    Das war Sonja, wie sie leibte und lebte!
    »Entschuldigen Sie…?« Angelika Huber lief ihr
einfach nach, als die dunkelhaarige Frau in dem figurbetonenden
Kostüm die Rolltreppe verließ und zur
Lebensmittelabteilung des Kaufhauses steuerte. »Ich muß
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