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Schneller als der Tod

Schneller als der Tod

Titel: Schneller als der Tod
Autoren: Josh Bazell
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ehe Barry in die Gänge kam, und so blieb ihm wahrscheinlich nichts anderes mehr übrig, als sich wie ein polnischer Schtetlbewohner der 1840er Jahre zu kleiden.
    Meine Mutter war auf der Beerdigung und fragte mich, ob mir geholfen sei, wenn sie bei mir in den Staaten bliebe, oder ob ich nach Rom kommen wolle. Mein Vater war so nett, mir nichts vorzumachen: Er schrieb mir lediglich einen weitschweifigen, etwas anrührenden Brief über die Beziehung zu seinen eigenen Großeltern und das Gefühl, dass man auf dem Weg durchs Leben eigentlich nie älter wird.*
(Die beiden waren längst geschieden. Meine Mutter war Immobilienmaklerin geworden, und mein italienischer Vater - kein Sizilianer, nein - hatte sich in Riverside, Florida niedergelassen. Zuletzt führte er ein gehobenes Franchise-Restaurant, dessen Namen ich für mich behalte. Beide heißen jetzt anders, und ich stehe nicht mehr mit ihnen in Kontakt.)
    Barry adoptierte mich, um mir das Jugendamt vom Leib zu halten, aber er war leicht davon zu überzeugen, dass ich am besten im Haus meiner Großeltern wohnen blieb. Mit fünfzehn war ich äußerlich ein Hüne und besaß die Eigenheiten eines angejahrten polnisch-jüdischen Arztes. Ich spielte gern Bridge. Außerdem waren Barry und seine Frau nicht verrückt darauf, ihre vier Kinder mit einem zusammenzubringen, der bei seiner Geburt abgeschoben worden war und dann eines Tages seine Zieheltern ermordet aufgefunden hatte. Was, wenn ich gefährlich wurde?
    In der Tat. Schlauer Zug, Barry und Mrs Barry!

    Ich suchte die Gefährlichkeit und kultivierte sie. Wie jedes amerikanische Kind nahm ich mir Batman und Charles Bronson in »Ein Mann sieht rot« zum Vorbild. Ich hatte zwar nicht ihre Mittel, dafür hatte ich aber auch wenig Unkosten. Noch nicht mal neue Teppiche hatte ich mir zugelegt.
    Ich fand, ich hatte keine andere Wahl, als die Sache selbst in die Hand zu nehmen. Das denke ich immer noch.
    Ich weiß zum Beispiel aus Erfahrung, wenn man in die Wälder geht und eine Handvoll pädophiler Zuhälter - die das Leben buchstäblich
Hunderter
Kinder zerstört haben -abknallt, dass dann die Polizei alles tut, um den Fall aufzuklären. Abflüsse werden untersucht für den Fall, dass man sich die Hände gewaschen hat, nachdem man sich mit den Fingern durch die Haare gefahren ist. Nach Reifenspuren wird gefahndet.
    Wenn aber die beiden Menschen, die man am meisten liebt, brutal von irgendeinem Drecksack ermordet werden, der ein paar Schränke durchstöbert und den Videorekorder mitgehen lässt, dann ist das ein unlösbares Rätsel.
    Hatten sie Feinde?
    Feinde, die einen Videorekorder brauchten?
    Wahrscheinlich war's ein Drogensüchtiger.
Ein Drogensüchtiger mit Auto und Handschuhen und dem Mordsdusel, dass ihn niemand gesehen hat.
    Wir hören uns um.
    Wir melden uns.
Da ist dir dann sonnenklar, wer hier der Gerechtigkeit Genüge tun wird: du oder keiner.
    Hat man eine Wahl?

    Die verschiedenen Kampfsportarten haben alle einen interessanten gemeinsamen Ansatz. (Ich kam vom Taekwondo über Shorei-Ryu-Karate zum Kempo, von einem fußschweißigen Dojo zum anderen, während ich die alte japanische Devise umsetzte, mindestens so viele Stunden zu trainieren, wie man schläft.) Man soll sich wie ein Tier verhalten. Das ist nicht theoretisch gemeint: Man soll sich taktisch nach ganz bestimmten, realen Tieren ausrichten. Etwa den »Kranichstil« für präzise, schnelle Angriffe aus der Distanz verwenden oder den »Tigerstil« im aggressiven bewaffneten Nahkampf. Dahinter steht der Gedanke, dass man sich bei gewalttätigen Auseinandersetzungen besser nicht als Mensch gebärden sollte.
    Da ist was Wahres dran. Die meisten Menschen sind instinktiv erbärmliche Kämpfer. Sie zucken zurück, schlagen wild um sich, drehen sich weg. Die meisten von uns kämpfen so schlecht, dass das entwicklungsgeschichtlich sogar ein Vorteil war, denn als Waffen noch nicht am Fließband produziert wurden, mussten die Menschen wirklich scharf überlegen, wie sie einander weh tun konnten, und so bekamen die Schlauen eine Chance. Ein Neandertaler könnte uns ungespitzt in den Boden hauen und verspeisen, aber wo sind sie alle?
    Nehmen Sie dagegen den Hai. Bei den meisten Haifischarten schlüpfen die Jungen im Mutterbauch und fangen an Ort und Stelle an, sich gegenseitig umzubringen. So ist ihr Gehirn sechzig Millionen Jahre lang unverändert geblieben, während unseres bis vor hundertfünfzigtausend Jahren immer komplexer geworden ist - bis wir sprechen
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