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Insel der Nyx: Insel der Nyx, Die Prophezeiung der Götter

Insel der Nyx: Insel der Nyx, Die Prophezeiung der Götter

Titel: Insel der Nyx: Insel der Nyx, Die Prophezeiung der Götter
Autoren: Daniela Ohms
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P ROLOG
    Arjana wusste nicht, ob sie träumte oder ob es tatsächlich geschah. Ein seltsamer Sog führte sie aus ihrem Bett, brachte ihre Füße dazu, über den warmen Steinboden zu laufen, in dem die Hitze des Tages noch gespeichert war. Das Licht des Mondes drang von draußen herein, eine laue Brise wehte durch den geöffneten Fensterspalt und trug den Geruch von Salz und Sand mit sich. Das Rauschen des Meeres klang gedämpft im Inneren des kleinen Steinhäuschens, doch als sie die Tür öffnete, schlug die Brandung mit einem stürmischen Peitschen gegen die Felsen vor der Bucht.
    Aber nicht das Meer lockte sie in dieser Nacht nach draußen. Ihr Blick wanderte den Hügel hinauf zu den schwarzen Wolken, die sich dort über den Klippen zusammenbrauten. In einem wilden Sturm kreisten sie umeinander, türmten sich immer höher auf und konzentrierten sich nur an diesem einen Punkt, während rundherum die Sterne blinzelten.
    Arjanas Beine fingen an zu rennen, warmer Sand stob unter ihren Füßen zur Seite und spitze Steine drückten sich in ihre Sohlen. Doch in dieser Nacht spürte sie keinen Schmerz. Was immer sich dort oben versammelte – es wartete auf sie, warnur gekommen, um mit ihr zusammenzutreffen. Auch sie selbst war nur aus diesem Grund hierher gereist, an den Rand dieses einsamen südkretischen Dorfes, dessen Namen kaum jemand kannte. Sie war kein normaler Mensch, auch wenn sie immer so getan hatte. Und in dieser Nacht, mit den schwarzen Wolken über den Klippen, würde sich der besondere Sinn ihres Lebens endlich erfüllen.
    Arjana rannte immer schneller, auf diesen einen Punkt zu, an dem die Wolken umeinanderwirbelten, als wollten sie die Welt in einem Strudel verschlingen. Blitze lösten sich daraus und zuckten über den Klippen. Donner peitschten über das Land und brachen sich an den entfernten Höhenzügen des Ida-Gebirges. Arjana erreichte die Anhöhe und lief zwischen großen Geröllbrocken und niedrigen Büschen über die karge Ebene oberhalb der Klippen. Wie eine riesige Nase ragte der Felssporn in das Meer hinein. Trockenes Gras raschelte unter ihren Füßen und in der Luft knisterte die Elektrizität der Blitze, die immer dichter aufeinanderfolgten.
    Es war kein normales Gewitter, kein gewöhnlicher Sturm und die meisten Menschen hätten voller Angst das Weite gesucht. Aber Arjana fühlte, wie sich ein befreiendes Lachen aus ihrer Kehle löste. Dort oben in den schwarzen Wolken lag ihre Herkunft.
    Mit dem nächsten Blitz flackerte etwas auf, das sie nie zuvor gesehen hatte: In der Mitte der trockenen Grasebene erhoben sich die Umrisse eines Tempels. Das zuckende Licht zeichnete eine weiße Ruine gegen den schwarzen Hintergrund der Nacht. Hohe Säulen trugen die Reste eines Daches und verbargen eine steinerne Halle in ihrer Mitte. Nur das Tor dieser Halle stand offen und gähnte ihr zu wie ein dunkler Schlund.
    Doch vor allem die Säulen des Tempels fesselten ihre Aufmerksamkeit: Jede von ihnen war die Statue eines Gottes oder einer Göttin. Es waren finstere Kreaturen mit dunklen Flügeln, deren Blicke selbstsicher durch die Nacht drangen. Wieder zuckte ein Blitz. Wie auf Kommando färbten sich die Göttersäulen schwarz. Nur das helle Licht spiegelte sich auf dem glänzenden Marmor.
    Und dann, für einen winzigen Moment, beruhigte sich das Gewitter. Plötzlich stand Arjana in der Dunkelheit. Der Tempel war verschwunden und vor ihr lag eine weite, karge Ebene. Auch der Donner schwieg und sie hörte nur das Rauschen des Meeres, das unterhalb der Klippen an die Felsen schlug.
    Erst mit dem nächsten Blitz flackerte das Bild des Tempels erneut auf. Der Donner dröhnte, lief über die Ebene davon und kam als grollendes Echo von den Bergen zurück.
    Ein zweiter Blitz schlug direkt über ihr vom Himmel, blendete sie mit gleißendem Licht und verwandelte sich in einen weißen Adler. Kreischend flog das Tier einen Bogen und kreiste um ihren Kopf.
    Arjana blickte zu ihm auf und musste lächeln. Nie zuvor war sie ihrem Vater begegnet. Von ihm stammte also das Gewitter, denn er war der Herr über die Blitze. Es war ein gutes Gefühl, ihn wenigstens heute in der Nähe zu wissen.
    Wieder zuckte das Leuchten so dicht über den Himmel, dass die Energie in der Luft vibrierte. Arjana spürte ein Kribbeln in ihrer linken Hand. Sie betrachtete ihren Handrücken, den weißen Blitz darauf, der sich hell gegen ihre sommerbraune Haut abzeichnete. Seit ihrer Geburt trug sie dieses Mal.
    Der Adler kreischte erneut,
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