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Schmidts Bewährung

Schmidts Bewährung

Titel: Schmidts Bewährung
Autoren: Louis Begley
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konnte auch ein Paar einstellen. Der Mann würde die Zeitung und die Post holen, im Garten arbeiten, alle Messingteile putzen, jede unbemalte Holzoberfläche im Haus wachsen und wienern und überhaupt dafür sorgen, daß jener Eindruck vollkommener Beständigkeit erweckt würde, den Schmidt in seinem Haus und Grundstück noch nicht hatte erreichen können; es wäre dies eine Verfassung, die auch Betrachter mit den schärfsten, kritischsten Augen zu dem Eingeständnis zwingen würde, daß kein noch so winziger Schotterstein in der Einfahrt und kein Gartenmöbel je verrückt worden sei. Der Raum über der Garage konnte für so ein Hausmeisterpaar passend hergerichtet werden.
    Er räumte den letzten Teller in die Spülmaschine und ging hinaus, um den Zustand von Garten und Pool zu prüfen. Offenbar war mit dem Wasserfilter etwas nicht in Ordnung. Der Fächer kleiner Bläschen, die aus der Rückleitung aufstiegen, gefiel Schmidt gar nicht. Am besten, man ließe den Wartungsdienst kommen; der mußte dafür sorgen, daß nirgendwo Luft in die Umwälzanlage eindrang. Schon wieder ein lästiger Anruf, der Zeit kostete und den ihm jemand abnehmen konnte, möglicherweise so ein Haus- und Gartenmann. Das Problem dabei, falls es überhaupt eines gab, bestand nicht darin, daß eine ganztags arbeitende Haushälterin die Nase über die polnische Putzbrigade rümpfen würde und deren Entlassung verlangte – Schmidt hatte nicht die Absicht, sich unloyal zu verhalten. Er wußte, daß er jeder neuen Kraft, wer auch immer sie sein mochte, den wöchentlichen Besuch von Mrs. Nowak und ihren Kolleginnen aufzwingen konnte. Sie würden übernommen werden müssen wie eine Zusicherung beim Grundstückskauf, als Teil eines Sozialvertrages. Einzig und allein Carries Gefühle waren die Hürde. Ihr empfindliches Klassenbewußtsein: Es war dermaßen ausgeprägt, daß nicht einmal die Damen des Colony Clubs ihr das Wasser reichen konnten. Ein deutlicher Hinweis war für Schmidt zum Beispiel Carries Weigerung, das Lokal O’Henry’s zu betreten oder in Bridgehampton einzukaufen. Das arme Kind: Ihre früheren Kollegen und das Heer von Einheimischen, die Carries und Schmidts Autos volltankten, den Rasen mähten, den Pool reinigten, Klempnerarbeiten machten, die Fensterläden am Haus strichen oder andere der stark überteuerten Dienstleistungen vollbrachten, die zu Schmidts Wohlbefinden nötig waren, alle diese Leute hielten nichts von Carries neuem Leben. Im Gegenteil, Carrie dachte – nicht ohne Grund –, sie sei in den Augen der Einheimischen eine Klassenverräterin. Das war ein Wort aus seinem Vokabular, wie Schmidt wußte; weder Carrie noch ihre Umgebung würde es je benutzen, sie hatten einen anderen Ausdruck zur Verfügung, irgendein heute übliches Synonym für Flittchen. Ist doch klar: Eine puertoricanische Kellnerin kommt aus Brooklyn in die Hamptons, um dicke Trinkgelder einzustreichen, und nach einem Jahr hat sie keine Lust mehr, Teller mit Essenresten, rotem Fleisch und liegengelassenen Pommes abzuräumen, und will auch nicht mehr mit Bryan oder einem anderen ortsansässigen Kraftprotz zusammenhausen. Also verschafft sie sich einen besseren Job – und legt einen reichen alten Zausel flach. Daß man so einen bis aufs Hemd ausplündert, finden die Einheimischen und das Lumpenproletariat der Wanderarbeiter ganz in Ordnung, aber nicht, daß man mit ihm fraternisiert. Anfangs hatte die polnische Putzkolonne sicher genauso gedacht. Aber in Schmidts Genesungszeit hatten die Damen sich allmählich an Carrie gewöhnt, und Carrie ging es umgekehrt genauso. Wie immer das ursprüngliche soziale oder moralische Urteil über Carrie ausgefallen war, jetzt mußten die Polinnen zugeben, daß sie eine gute Seele war und ihn anständig behandelte, davon war Schmidt überzeugt. Aber wie sollte er Carrie dazu bringen, sich als Hausherrin zu verstehen und andere von ihm angeheuerte Hilfskräfte ganz selbstverständlich zu beschäftigen, wie konnte das gehen, solange sie an diesem Ort wohnten und solange die Erinnerung an ihre Geschichte bei den Leuten noch so frisch war?
    Sobald er sich von seinem Unfall erholt hatte, ließ er eine anderthalb Meter hohe Mauer aus zartfarbigen, vom Wetter ausgeblichenen alten Backsteinen rund um den Pool bauen. Die Fliesen der Pooleinfassung wurden ebenfalls durch Backsteine ersetzt und innen an der Mauer rote und rosa Kletterrosen und Rosenstöcke gepflanzt. EinGeschenk zur Genesung, das er sich selbst machte. Die Rosen
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