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Schieß, wenn du kannst Kommissar Morry

Schieß, wenn du kannst Kommissar Morry

Titel: Schieß, wenn du kannst Kommissar Morry
Autoren: Hans E. Koedelpeter
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Dienerschaft steht erst in einer halben Stunde auf. Und mein Mann wird kaum vor dem Mittagessen erwachen . . . dafür habe ich gesorgt."
    „Wie komme ich wieder aus dem Haus?"
    „Das überlassen Sie ruhig mir. Wenn Sie wollen, nehme ich Sie mit dem Wagen in die Stadt."
    „Wollen Sie mich in eine Falle locken?"
    „Mein lieber Freund, Sie müssen zugeben, daß das eine höchst absurde Annahme ist. Es wäre mir ein leichtes gewesen, das Grundstück und den Pavillon durch Polizei umstellen zu lassen."
    „Woher wußten Sie, daß ich hier im Pavillon schlafe?"
    „Ich wußte es nicht. Ich nahm es nur an. Wohin hätten Sie um diese Zeit gehen sollen?"
    „Für meinen Geschmack haben Sie eine viel zu stark entwickelte Kombinationsgabe."
    „Legen Sie jetzt auf. Wir dürfen keine Zeit verlieren. Kommen Sie endlich!"
    „Okay."
    Er legte den Hörer zurück und stellte sich einen Augenblick an das Fenster. Er dachte an die Sprecherin ... an die junge, rothaarige Frau, und er fragte sich, ob er von ihr Hilfe erwarten durfte . . . oder ob sie nur aus irgendeinem abwegigen Grund den Nervenkitzel und die Sensation suchte.
    Am besten, ich verschwinde von dem Grundstück und lasse mich in dieser Gegend nie wieder blicken, dachte er. Aber noch während ihm dieser Gedanke durch den Kopf ging, wußte er, daß er die junge Frau besuchen würde. Er stieg aus dem Fenster und lief zurück zu dem großen, weißen Haus. Er blickte an den geschlossenen Fensterläden in die Höhe und versuchte zu ermitteln, ob er beobachtet wurde.
    Aus den Ritzen schimmerte nirgendwo ein Licht. Ray ging um das Haus herum. Seine Schuhe waren klatschnaß vom Morgentau. Er dachte ein wenig besorgt an die Pistole des jungen schnurrbärtigen Hausbesitzers, aber dann öffnete er die Tür zum Lieferanteneingang und stieg die eiserne Wendeltreppe zum ersten Stockwerk in die Höhe. Er fand sich zunächst in einer Besenkammer, die mit allerlei Reinigungsutensilien vollgestopft war. Als er vorsichtig die Tür öffnete, blickte er auf einen mit dicken Teppichen belegten Korridor. An den Wänden hingen alte Stiche, Waffen und Zinngeräte. Links und rechts vom Korridor zweigten gut ein halbes Dutzend Türen ab. Eine von ihnen stand offen.
    Ray ging leise darauf zu. Was ich jetzt tue, läßt sich mit nichts entschuldigen, dachte er. Wenn ich jemals durch dieses Intermezzo dem Henker ausgeliefert werden sollte, werde ich mir sagen müssen, daß ich ein Opfer meiner Neugier . . . und meiner Sehnsucht wurde.
    Denn ich folge nicht einer Stimme oder einem Befehl ... ich folge der Verlockung einer unsagbar schönen jungen Frau.
    Als er vor dem offenen Türrahmen stand und ins Innere des Raumes blickte, bemerkte er sie. Sie saß vor dem Toilettenspiegel und kämmte ihr leuchtend rotes Haar. Auch jetzt waren ihre Bewegungen ruhig, ausgeglichen und voll betörender Anmut.
    Sie trug einen meergrünen Morgenmantel. Er war bis zum Hals geschlossen und umhüllte lose die Figur. Ihre nackten Füße mit den rot lackierten Zehennägeln steckten in silbernen Pantoletten. Ray trat ein und lehnte sich mit verschränkten Armen an die Wand.
    „Schließen Sie die Tür", befahl sie ruhig.
    Er zögerte, dann folgte er der Aufforderung. Sie fuhr fort sich zu kämmen, und Ray hatte Gelegenheit, ihre vollkommenen Gesichtszüge erneut eingehend zu studieren. In dem Licht, das durch die Schlitze der geschlossenen Fensterläden fiel, erhielt ihre Haut einen zarten, matten Schimmer, der an kostbare Perlen denken ließ.
    Plötzlich legte sie den Kamm aus der Hand und drehte sich um. Mit dem halblangen, aufgelösten Haar sah sie aus wie ein junges Mädchen.
    „Ihr Gesicht hat einen guten, männlichen Schnitt", erklärte sie. „Er gefiel mir schon damals, als ich die ersten Bilder in den Zeitungen sah. Ich nehme an, Sie wissen, daß man fünfhundert Pfund auf Ihre Ergreifung ausgesetzt hat?"
    Er lächelte schwach. „Wollen Sie sich das Geld verdienen?"
    „Oh nein . . . wäre es die zehnfache Summe, hätte ich Sie freilich der Polizei ausgeliefert."
    „Sie sind ein wenig materiell eingestellt, nicht wahr?"
    „Geld ist das einzige, was heutzutage zählt."
    „Haben Sie nicht genug davon?"
    „Oh doch . . . aber ich kann es nicht so ausgeben, wie das meinen Wünschen entspricht. Sie wurden ja vorhin Zeuge einer höchst unerquicklichen Auseinandersetzung, die sich auf dieses Thema bezog."
    „Ich erinnere mich."
    „Wollen Sie nicht Platz nehmen?"
    „Vielen Dank. Ich fühle mich wohler im Stehen . .
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