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Schieß, wenn du kannst Kommissar Morry

Schieß, wenn du kannst Kommissar Morry

Titel: Schieß, wenn du kannst Kommissar Morry
Autoren: Hans E. Koedelpeter
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Streit vermißte, war er umhergelaufen, um sie zu finden. Dieser Mann vorhin . . .
    Ray zuckte zusammen. Ihm fiel ein, daß der Mann zur Polizei gelaufen sein konnte.
    Ray wandte sich ab und hastete die Treppe hinab, um ins Freie zu gelangen. Er fühlte sich bedeutend wohler, als er die Straße erreicht hatte.
    Es war jetzt halb vier Uhr. Eine verdammte Zeit. Wenn ihn ein Konstabler hier im Villenviertel traf, unrasiert und durchfroren, war das gleichbedeutend mit peinlichen Fragen.
    ,Ihren Ausweis, bitte . . .´
    Nein, das durfte nicht passieren. Das war das Ende. Kurz entschlossen kletterte Ray über einen Zaun. Er wußte, daß die meisten der großen Villengrundstücke einen Gartenpavillon haben, ein Teehäuschen, vielleicht auch nur einen Geräteschuppen . . .
    Ich werde schon etwas finden, dachte er. Hauptsache, ich werde von keinem Hund angefallen.
    Während er, immer im Schatten der Bäume bleibend, den Park durchstreifte, lauschte er mit einem Ohr zur Straße hin, stets gewärtig, das Heulen einer Polizeisirene zu vernehmen. Aber alles blieb ruhig. Plötzlich sah er ein Licht zwischen den Bäumen.
    Vorsichtig ging er darauf zu. Dann bemerkte er das große, weiße Haus mit dem von Säulen gestützten Balkon, der die breite Auffahrt überdachte. In einem Zimmer des Erdgeschosses brannte Licht. Das Fenster stand offen und Ray hörte die Stimme eines Mannes:
    „Ich bringe dich um, hörst du? Ich bringe dich um!"
    Die Stimme war erregt und überschlug sich, aber dennoch machte sie nicht den Eindruck, als wolle ihr Besitzer die schreckliche Drohung verwirklichen. Ray zögerte. Er hatte keine Lust, eine weitere Tragödie zu erleben, und er war auch nicht gewillt, Zeuge einer Familienstreitigkeit zu werden.
    Aber irgend etwas in ihm ließ ihn auf das Haus zuschreiten. Vielleicht war es der unbewußte Instinkt, einem Bedrängten helfen zu können. Vielleicht war es auch nur Neugier. Was er tat, war in seiner Lage Wahnsinn. Er mußte aus den Büschen hervortreten und die große, im hellen Mondschein liegende Wiese überqueren.
    Wenn jemand das Fenster schloß und dabei ins Freie blickte, gab es für ihn nicht die geringste Möglichkeit, sich zu verbergen. Er konnte sich allenfalls flach auf den Boden werfen. Ray hielt sich etwas rechts von dem Fenster, um nicht in seinen Lichtkegel zu geraten. Er atmete auf, als er sich im Schatten des Hauses befand. Langsam und kaum hörbar näherte er sich dem offenen Fenster.
    „Ich lasse mich von dir nicht betrügen!" rief der Mann. Er war wohl etwas ruhiger geworden; es schien, als habe sein Zorn den Höhepunkt bereits überschritten.
    Es erfolgte keine Antwort und Ray versuchte, sich das Aussehen des Mannes vorzustellen. Etwa um die Vierzig herum, dachte er, schon etwas dick und mit einem rosigen, gesunden Teint. In den Augen aber die brennende Eifersucht des Betrogenen, bebend vor Bitterkeit und verletztem Stolz. Ray riskierte es, einen Blick ins Innere des Raumes zu werfen. Der Mann, den er sah, entsprach zumindest äußerlich keineswegs dem Bild, das er sich von ihm gemacht hatte. Er war schlank und gut
    gewachsen. Sein Alter mochte etwa dreißig Jahre betragen. Er trug einen kleinen, koketten Schnurrbart, der ihn als eitlen Menschen auswies, aber auch auf eine eventuelle Zugehörigkeit zur Garde hindeutete. Das Haar war blond, drahtig und ziemlich kurz geschnitten. In seinem roten Morgenmantel sah er recht distinguiert aus. Lediglich der Gesichtsausdruck bestätigte Rays ursprüngliche Annahme, denn in ihm war die ganze Bitterkeit enthalten, die sich auch in der Stimme äußerte.
    „Ich werfe dich hinaus . . . ich schicke dich zurück in die Gosse, aus der du gekommen bist!" schrie der Mann.
    Er hatte die zu Fäusten geballten Hände in die Taschen seines Morgenmantels geschoben. Mit dem Rücken lehnte er an der Tür. Er blickte seinem Gesprächspartner in die Augen. Es war eine Frau . . . vielleicht auch nur ein Mädchen. Ray konnte nur einen Helm roten, leuchtenden Haares sehen.
    Das Mädchen . . . oder die junge Frau . . . wandte dem Fenster den Rücken zu. Sie saß in einem tiefen Sessel und rauchte eine Zigarette. Die Art, wie sie die Asche abstreifte, ließ eine geradezu meisterhafte Beherrschung erkennen. Vielleicht wollte sie den Mann mit ihrer Ruhe reizen, möglicherweise aber war sie Szenen dieser Art gewöhnt und machte sich nicht das geringste daraus. Die Worte, die der Mann jetzt sagte, schienen diese Theorie zu bestätigen.
    „Du nimmst mich nicht ernst. Du
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