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Schieß, wenn du kannst Kommissar Morry

Schieß, wenn du kannst Kommissar Morry

Titel: Schieß, wenn du kannst Kommissar Morry
Autoren: Hans E. Koedelpeter
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hast mich nie ernst genommen. Meine Vorwürfe waren für dich nur ein kleiner, dummer Tribut, den du für dein hemmungsloses Leben zu zahlen bereit warst. Du nahmst und nimmst das in Kauf. Ich habe dir schon einige Male gesagt, daß meinem Langmut Grenzen gesetzt sind. Diese Grenzen sind jetzt erreicht."
    „Du bist übergeschnappt, Raymond", sagte die rothaarige junge Frau. Sie hatte eine tiefe, samtene Stimme von erregendem Reiz. „Total verrückt, wenn du mir die Feststellung erlaubst. Ich habe dir schon vor der Hochzeit gesagt, daß ich eine Einengung meiner Freiheiten nicht dulden werde."
    „Als Ehefrau hast du Pflichten. Natürlich auch Rechte . . . aber das Recht, nachts allein auszugehen, gehört gewiß nicht dazu. Ich dachte, das müßtest sogar du begreifen."
    „Du hast mich geheiratet, weil du eine junge, repräsentative Frau suchtest, ein Geschöpf, um das man dich beneidet. Du hast mich gekauft wie einen kostbaren Schmuck, wie ein edles Reitpferd ... ich war nur ein Teil deiner Sammlung, mit denen du anderen zu imponieren trachtest. Ich liebe dich nicht und habe daraus auch noch niemals einen Hehl gemacht. Ich wurde deine Frau, weil mich dein Geld reizte. Ich war in diesem Punkt stets ehrlich zu dir. Du aber verlangst dumme, bürgerliche Heuchelei. Ich soll dir eine treue, liebende Ehefrau Vorspielen, das dankbare Hausmütterchen. Das kann ich nicht, es ist einfach zuviel."
    Der Mann an der Tür ließ die Schultern hängen. „Eines Tages bringe ich dich um", murmelte er, diesmal eher traurig und erschöpft als drohend.
    „Das wirst du nie schaffen", meinte die junge Frau. Es war eine nüchterne Feststellung ohne jeden Spott.
    Der Mann straffte sich. „Nie schaffen?" rief er, schon wieder wütend und gereizt. „Du denkst, ich wäre ein Feigling, nicht wahr? Ein Prahlhans, der nie sein Wort einlöst, was?"
    „Ein kesses Bärtchen macht noch keinen Mann."
    In diesem Moment stand die junge Frau auf. Sie trug ein schulterfreies Cocktailkleid aus zartgrünem Brokat. Es umschloß eine Figur von außerordentlicher Schönheit.
    Ray, der wohl eine Sekunde zu lange hingeschaut haben mochte, hatte plötzlich das entnervende Empfinden, von der jungen, schönen Frau gesehen worden zu sein.
    Einen Moment schien es ihm, als wollten ihn ihre großen Augen aufsaugen . . . dann wanderte ihr Blick weiter, ohne Wimperzucken, mit der Gleichgültigkeit eines Menschen, der draußen nur die schwarze Nacht sieht. Die junge Frau steckte sich eine Zigarette in Brand. Sie tat es ruhig und gelassen.
    Ray stieß die Luft aus. Dann dachte er daran, daß es ihm heute schon einmal ganz ähnlich ergangen war: vor kaum einer halben Stunde, als der Konstabler von der Straße her die Ruine gemustert hatte. Die Frau hielt den Blick gesenkt. Nachdenklich musterte sie das Tischfeuerzeug, das noch immer in ihrer Hand war. Ihr schönes junges Gesicht hatte einen etwas nachdenklichen, schmerzvollen Zug angenommen, als könne sie nicht begreifen, daß sie hier war, in diesem Raum, in dieser Villa, in Gegenwart eines Fremden, der ihr Mann war . . .
    Dann hob sie wieder den Blick und trat ans Fenster, um es zu schließen. Sie trat erneut zwei Schritte zurück, noch immer mit dem Feuerzeug in der Hand, und ihr Blick, den sie etwas angehoben hatte, bekam einen leicht gespannten Ausdruck.
    Ray merkte jetzt, daß sie an ihm vorbeiblickte. Er spürte, daß sein Herz rascher schlug. Ihm war, als habe er noch nie zuvor in seinem Leben eine ähnlich schöne junge Frau gesehen. Ihre Schönheit war fremd und lockend, und doch lag über der grazilen Gestalt mehr als bloßer sex appeal... es war eher eine leise Trauer, zugleich aber auch eine seltsame Neugier.
    Ray sah, wie der Mann an der Tür sich regte. Ray wollte schreien, aber er brachte keinen Ton über die Lippen.
    Der Mann hielt die Pistole in der Hand, eine kleine, fast unscheinbare Waffe, deren Lauf er auf den Rücken der jungen Frau richtete. Er kniff dabei ein Auge halb zu, wie man es beim Zielen zu tun pflegt und Ray bemerkte, daß sich der Finger am Abzug krümmte. Ich sehe sie zum letzten Male lebend, schoß es Ray durch den Sinn. In diesem Bruchteil einer Sekunde ist sie noch ein Mensch, ein Mensch voller Abgründe und Leidenschaften, aber doch ein fühlendes Wesen, ein atmendes Geschöpf, in das die Natur in einer seltsamen Laune mehr Schönheit konzentriert hat als zu verantworten ist . . .
    Eigentlich ist sie schon tot. So tot wie die alte Frau in der Ruine . . .
    In diesem Moment
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