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Vorkosigan 11 Spiegeltanz

Vorkosigan 11 Spiegeltanz

Titel: Vorkosigan 11 Spiegeltanz
Autoren: Lois McMaster Bujold
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KAPITEL 1
    Die Komkonsolen-Kabinen, die aneinandergereiht die Passagierhalle von Escobars größter kommerzieller Orbital-Transferstation säumten, hatten verspiegelte Türen, die von regenbogenfarbenen Lichterzeilen in diagonale Segmente geteilt wurden. Zweifellos hielt irgend jemand dies für besonders dekorativ. Die Spiegelsegmente waren absichtlich leicht gegeneinander verschoben, ihre Spiegelungen wurden dadurch in Teilbilder zerlegt. Der kleine Mann in der grau-weißen Militäruniform blickte finster auf sein gespaltenes Selbst im Rahmen der Tür.
    Sein Spiegelbild erwiderte den Blick ebenso finster. Die abzeichenlose Interimsuniform eines Söldneroffiziers – Jacke mit Taschen, weite Hose, die Hosenbeine in die Halbstiefel gesteckt –
    war in jeder Einzelheit korrekt. Er musterte den Körper, der in der Uniform steckte: ein sich hochreckender Zwerg mit verkrümmtem Rückgrat, kurzem Hals und großem Kopf – auf heimtückische Weise mißgebildet und durch seine kleine Statur jeder Chance beraubt, daß seine beunruhigende Beinahe-Geradheit unbemerkt durchging. Sein dunkles Haar war ordentlich geschnitten. Unter schwarzen Augenbrauen vertiefte sich der düstere Blick der grauen Augen. Auch der Körper war in jeder Einzelheit korrekt. Er haßte ihn.
    Die verspiegelte Tür öffnete sich endlich, eine Frau kam aus der Kabine. Sie trug eine weiche Wickeljacke und wallende Hosen.
    Ein modisches Bandelier mit teuren elektronischen Geräten, das dekorativ an einer juwelenbesetzten Kette über ihrem Leib hing, verkündete ihren Status. Als sie ihn sah, hielt sie inne und wich zurück, als hätte sein dunkler, hohler Blick ihr einen Stoß versetzt.
    Dann ging sie vorsichtig um ihn herum und murmelte: »Entschuldigen Sie … es tut mir leid …«
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    Zu spät verzog er den Mund zur Imitation eines Lächelns und murmelte etwas Halbunverständliches, das den guten Sitten genügend Tribut zollte, so daß er an ihr vorbei durfte. Er drückte die entsprechende Taste, damit sich die Tür wieder senkte und ihn der Sicht der anderen entzog. Endlich allein, für einen letzten Moment, und wenn auch nur in der Enge einer kommerziellen Komkonsolen-Kabine. Der widerliche Duft des Parfüms der Frau hing noch in der Luft, zusammen mit einem Gemisch von Gerüchen der Station nach recycelter Luft, Essen, menschlichen Körpern, Stress, Plastik, Metall und Reinigungsmitteln. Er atmete aus, setzte sich hin und legte die zitternden Hände, um sie zu beruhigen, flach auf die kleine Ablage.
    Doch nicht ganz allein. Hier drinnen gab es noch einen verdammten Spiegel, als Dienst an Kunden, die ihre Erscheinung überprüfen wollten, bevor sie ihr Bild per Holovid irgendwohin schickten. Seine dunkel umrandeten Augen blickten ihm boshaft aus dem Spiegel entgegen, dann ignorierte er das Bild. Er leerte seine Taschen auf die Ablage. All sein weltlicher Besitz paßte in einen Raum, der nur wenig größer war als seine beiden gespreizten Hände. Eine letzte Inventur. Als würde sich die Summe verändern, wenn er noch einmal zählte …
    Eine Kreditkarte, auf der noch dreihundert betanische Dollar übrig waren: für diesen Betrag konnte man auf dieser orbitalen Raumstation eine Woche gut leben, oder – wenn man sorgfältig damit umging – ein paar magere Monate auf dem Planeten, der sich dort unten drehte. Drei falsche Ausweiskarten, davon keine für den Mann, der er jetzt war. Keine für den Mann, der er war.
    Wer auch immer er sein mochte. Ein gewöhnlicher Taschenkamm aus Plastik. Ein Datenkubus. Das war alles. Bis auf die Kreditkarte steckte er alles wieder in die verschiedenen Jackentaschen und verstaute jedes Stück feierlich an seinem besonderen Platz. Als er 9
    alle Gegenstände untergebracht hatte, blieben noch leere Taschen übrig. Er schnaubte. Du hättest dir wenigstens deine eigene Zahnbürste mitbringen können … Doch dafür war es jetzt zu spät.
    Und es wurde immer später. Schreckliche Dinge ereigneten sich und gingen ungehindert weiter, während er hier saß und seine Nerven beruhigte. Los! Du hast es früher schon einmal getan. Du schaffst es auch jetzt. Er schob die Kreditkarte in den Schlitz und tippte die Codenummer ein, die er sorgfältig auswendig gelernt hatte. Zwanghaft schaute er ein letztes Mal in den Spiegel und versuchte seine Züge zu glätten, damit so etwas wie ein neutraler Ausdruck herauskam. Trotz aller Übung glaubte er nicht, daß er im Augenblick das Grinsen zusammenbrächte. Er verachtete dieses Grinsen
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