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Peetz, Monika

Peetz, Monika

Titel: Peetz, Monika
Autoren: Die Dienstagsfrauen
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Monika Peetz
     
    DIENSTAGS-FRAUEN
     
    Roman
     
    1
     
    »Mach
schon Tom! Beweg deinen Hintern!«, brüllte Luc. »Die Gäste kommen jeden
Augenblick.« Der Besitzer des Le Jardin scheuchte seinen neuen Kellner
gnadenlos durch das Lokal. Im Sekundentakt prasselten Anweisungen auf den
jungen Mann nieder.
    »Fünfmal
Gläser habe ich gesagt.«
    »Doch
nicht das normale Geschirr.«
    »Wo
bleiben die Blumen?«
    »Muss ich
mich um alles selbst kümmern?«
    Tom
verstand vor allem Bahnhof. Für wen nur veranstaltete Luc diesen Wirbel? Der
Blick ins Bestellbuch brachte wenig Erhellung.
    »Wir haben
überhaupt keine Reservierung für den Kamintisch.«
    Luc hielt
inne, als sei das die dümmste Bemerkung, die er je im Leben gehört hatte. »Hast
du auf den Kalender gesehen?«
    »Natürlich.«
    »Und?«
    »Da steht
Dienstag.«
    Luc wurde
lauter: »Der erste Dienstag im Monat. Das bedeutet...«
    »Irgendein
französischer Feiertag?«, versuchte Tom sich, als wäre er in einer Quizshow.
    Luc
stöhnte tief auf. Vielleicht war es ein Fehler, einem arbeitslosen
Schulabbrecher eine Chance zu geben. Toms einzige Erfahrung in der Gastronomie
stammte aus seiner frühesten Jugend. Ein hormongesteuerter Dummkopf hatte ihn
einst in der Sportgaststätte des TSV Euskirchen gezeugt. Leider war Luc dieser
Idiot gewesen. Deshalb konnte er schwerlich Nein sagen, als seine Ex ihm vor
fünf Wochen das missratene Produkt ihrer Affäre auf der Türschwelle hinterließ.
Das Findelkind war inzwischen neunzehn und kam ganz nach der Mutter. Fand Luc.
    »Meine
treuesten Gäste haben für acht Uhr reserviert. Wie jeden ersten Dienstag im
Monat. Da war ich noch Kellner, so lange kommen die schon«, ereiferte sich Luc,
wobei sein platter Kölner Akzent deutlich verriet, dass er mitnichten Franzose
und »Luc« nur ein Künstlername war. Doch die Nähe zum Institut Francais sprach
dafür, an der Ausrichtung des Restaurants nichts zu verändern.
    Tom
verstand immer noch nicht: »Ja und?«
    Luc
seufzte ein zweites Mal. Mit seinen fünfundsechzig Jahren durfte er allmählich
an einen Nachfolger denken. Aber wie machte man einem begriffsstutzigen Sohn
klar, was an diesen fünf Frauen so besonders war? Seit fünfzehn Jahren kamen
sie in sein Lokal. Erst jeden Dienstag, später einmal im Monat.
    Es war ein
nasser, umsatzschwacher Tag und Luc im Begriff, das Restaurant zu schließen,
als die fünf pudelnass und kichernd zum ersten Mal in der Tür standen. Fünf
Frauen, wie sie unterschiedlicher nicht sein konnten: Caroline, die kühle, sportliche
Anwältin mit dem klassisch geschnittenen Gesicht; Judith, blass, dünn und
durchscheinend; Eva, die frischgebackene patente Ärztin; Estelle, unverkennbar
Dame von Welt - und die Jüngste, Kiki, eine Abiturientin mit der Ausstrahlung
eines bunten Schmetterlings.
    Es war
Caroline, die Luc überredete, noch ein paar Flaschen zu entkorken. Die
redegewandte Anwältin führte schon damals das Wort. Dabei war es ursprünglich
Judiths Idee gewesen, nach dem Französischkurs gemeinsam etwas trinken zu
gehen.
    »Ich will
meinen freien Abend bis zum Letzten auskosten«, erläuterte sie. Später stellte
sich heraus, dass Judith ihrem damaligen Ehemann Kai vorgelogen hatte, ihr
Arbeitgeber verlange und bezahle den Französischkurs. Sie verließ sich darauf,
dass ihr pedantischer Ehemann pünktlich um 22.30 Uhr ins Bett ging und nicht
merkte, dass es von nun an jeden Dienstag später wurde. Der Französischkurs
markierte den Anfang vom Ende ihrer Ehe. Judith log Kai etwas von Aufbaukursen
vor und traf sich weiterhin mit den Freundinnen. Es dauerte eine halbe
Ewigkeit, bis die Dienstagsfrauen Judith genug Mut gemacht hatten, sich
endgültig aus ihrer unglücklichen Ehe zu lösen. Über Jahre beobachtete Luc,
wie aus der unsicheren Sekretärin eine Frau wurde, die mithilfe von Esoterik
und fernöstlicher Weisheit ihren eigenen Weg suchte.
     
    Luc
begleitete seine Dienstagsfrauen durch die Jahre. Er wurde Zeuge, wie aus der
begabten Juristin Caroline eine berüchtigte Strafanwältin wurde, wie die
leidenschaftliche Medizinerin Eva ihren Arztberuf an den Nagel hängte und eine
Familie gründete und die Abiturientin Kiki erwachsen wurde. Alles veränderte
sich in den fünfzehn Jahren. Das Le Jardin mauserte sich vom Geheimtipp zum
Szenetreff, Luc vom Kellner zum Besitzer. Nur das Luxusweibchen Estelle, die Älteste
der Dienstagsfrauen, blieb sich treu. Sie legte Wert darauf, dass man ihr den
Reichtum, den zweiten Wohnsitz in St. Moritz
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