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Scherben

Scherben

Titel: Scherben
Autoren: Ismet Prcic
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dem wir hoffen, dass es da draußen ist?

    1. Bitte ausfüllen: 6
    Die dritte Präsenz ist __________
    a) Gott
    b) der Erzähler
    c) Ismet
    d) Mustafa
    e) Was?
    f) ich
    g) du
    h) Wen interessiert’s?
    i) etwas
    j) nichts
    k) alle Genannten
    l) keines/r der Genannten
    m) alle und keines/r der Genannten

(… monolog …) 7
    … aus Gewohnheit zurück zum Haus, heimlich duschen, wenn du weißt, dass deine ehemaligen Mitbewohner nicht zu Hause sind, obwohl du nicht mehr dort wohnst, obwohl dein altes Zimmer jetzt ein Büro ist und dein alter Schrank voll mit Bens Outrigger-Paddeln und schimmligen Neoprenanzügen, und obwohl Jen gesagt hat, sie würde die Polizei rufen, wenn du noch mal die Waschmaschine und den Trockner benutzt, und trotzdem findest du den Ersatzschlüssel unter dem Terrakotta-Nikolaus am Feigenbaum und gehst ins Haus, ziehst deine Klamotten aus und benutzt ihre Seife und ihr Shampoo und ein Handtuch …
    … obwohl es mit der Liebe vorbei ist, obwohl sie dich schon vor geraumer Zeit verlassen hat und fortgezogen ist und den Computer, das Bett und das Einmachglas mit dem Kleingeld mitgenommen und nur rote Haare in deinen Sweatshirts und auf deinen Kissenbezügen und diesen Duft in deiner Nase und in deinem Gehirn zurückgelassen hat, den du sogar draußen am Strand noch riechen kannst, wo der kalte Wind weht …
    … obwohl deine Mutter sterben will, zu Hause in Bosnien, wo dein Vater eines Morgens aufstand und sie nackt in der Wanne fand, die Pulsadern der Länge nach aufgeschlitzt, den Bauch voller Valium und Tavor und Aspirin und Sliwowitz, den Kopf voll mit zähem, glückseligem Nichts, aber noch am Leben , und er sie, statt einen Krankenwagen zu rufen, aus der Wanne zog, mit dem Vorleger und ein paar Handtüchern abtrocknete, ihr eine Unterhose und ein Nachthemd anzog, sie übers Parkett ins Schlafzimmer schleifte, wo ihm die ganze Nacht gar nicht aufgefallen war, dass sie nicht neben ihm lag, sie auf ihre Seite des Bettes hob, eine Ladung rosafleckiger Wäsche in die Maschine stopfte und sich leise nach draußen schlich, um meinen Bruder nicht zu wecken, diesen depressiven jungen Mann, der, wie er wusste, nicht vor zwei Uhr nachmittags aufstehen würde, weil er das nie tat, und wie gewohnt zur Arbeit fuhr, in der Hoffnung, sie würde zu Ende sterben, sich endlich einmal richtig umbringen, und dann enttäuscht war, als dein Bruder ihn panisch anrief, und er ihr schließlich, als sie aus einem dreitägigen Koma erwachte, eine Wohnung im siebzehnten Stock eines Wolkenkratzers kaufte, demselben, von dem du als kleines Kind einmal eine Frau springen sahst, und ihr erklärte, er käme mit dem Stress nicht mehr zurecht, den ihre Nähe ihm bereite, und sie sollten sich trennen, wobei er immer noch Beziehungen zu anderen Frauen leugnete, was deine Mutter ja überhaupt erst so weit gebracht hatte, so wie er auch leugnete, dass er sie auf ihrer Seite des Bettes sterben lassen wollte …
    … obwohl sich deine Brust wegen all dem meist anfühlt wie aufgebläht oder gefüllt mit … gefüllt womit? Falschheit? Gefüllt mit dem, was dort zurückbleibt, wo einmal sehr viel Liebe war, was auch immer das ist, gefüllt mit dem, was aus Liebe wird, wenn man sich ihrer Bedeutungslosigkeit bewusst wird, wenn man merkt, dass man den geliebten Menschen nicht festhalten, dem geliebten Menschen nicht helfen kann, dass man den geliebten Menschen gar nicht kennt und man sich die Brust zerkratzen will, sich die Finger in die eigene Brust bohren und die eigenen Rippen auseinanderziehen will, wie ein Akkordeon oder so wie Superman Clark KentsAnzug zerreißt, um all die Liebe rauszuholen, all die Falschheit, all den Schmerz, und obwohl alles so schlimm ist, die ganze Zeit, fühlst du dich ausgerechnet heute eigentlich ganz gut …
    … du fühlst dich besser, weil deine ehemaligen Mitbewohner bis morgen weg sind (du hast in der Bibliothek auf der Website ihres Outrigger-Clubs nachgesehen: Kae Elua, zweitägiges Rennen in Catalina) und das bedeutet, dass du in ihrem Bett schlafen, ihren Computer benutzen und Videospiele spielen wirst, und du ziehst ein paar saubere Klamotten an, gehst in die Küche und machst dir einen riesigen Travesty mit ihrem Wodka, dann schüttelst du ein bisschen Trockenfutter in Johnny Cats Napf und hörst ihn irgendwo hinten im Haus auf den Teppich plumpsen, er kommt angerannt wie der Blitz und mampft, lieblos, mit gelben Augen, verrückt geworden wegen irgendeiner Hautkrankheit, die ihn dazu bringt,
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