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Schattengilde 03 - Unter dem Verrätermond

Titel: Schattengilde 03 - Unter dem Verrätermond
Autoren: Lynn Flewelling
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beste Methode war, ihn zur Rückkehr zu bewegen.
    Sie umklammerte die Reling und zwang sich, an etwas anderes zu denken. Sie hatte eine Aufgabe zu erledigen, eine Aufgabe, die sie zumindest für kurze Zeit zurück zu jenen Menschen führte, die ihr am meisten bedeuteten.
     
    Zwei Möwen war kaum groß genug, als Dorf bezeichnet zu werden. Ein ärmliches Gasthaus, ein baufälliger Tempel und ein buntgewürfeltes Durcheinander aus Hütten, die sich um das Loch von einem Hafen scharten. Micum Cavish hatte ein Leben damit zugebracht, durch solche Orte zu ziehen, entweder allein oder auf Beobachtungstour mit Seregil.
    Nur in der jüngsten Zeit hatte er sich vorwiegend in der Nähe seines Zuhauses aufgehalten, sein krankes Bein gepflegt und zugesehen, wie seine Kinder heranwuchsen. Und es hatte ihm Spaß gemacht, sehr zur Freude seiner Gemahlin, aber diese Reise erinnerte ihn wieder daran, wie sehr er die Straße und die Wanderschaft vermisste. Es war ein gutes Gefühl, zu erkennen, dass er noch immer instinktiv wusste, wo er seine Börse zücken und wo er sie tunlichst verstecken sollte.
    Erst vor fünf Tagen war ein schmutziger Bote auf den Hof von Watermead geritten und hatte ihn darüber unterrichtet, dass die Königin seiner Dienste und derer Seregils und Alecs bedurfte. Es war seine Aufgabe, seine Freunde zu überreden aus ihrem selbstauferlegten Exil zurückzukehren. Die beste Neuigkeit aber war, dass seine älteste Tochter, Beka, an Leib und Leben unversehrt, auf dem Weg nach Hause war, um als seine Eskorte zu fungieren.
    Innerhalb von einer Stunde war er auf der Straße gewesen, ein Schwert an der Seite und einen Rucksack auf dem Rücken, unterwegs zu einem Dorf, von dem er bis zu diesem Tag noch nie gehört hatte.
    Ganz wie in alten Zeiten.
    Nun saß er, die Hutkrempe über die Augen gezogen, auf einer Bank vor einer namenlosen Taverne und dachte über die vor ihm liegende Aufgabe nach. Alec würde vernünftigen Argumenten zugänglich sein, aber eine ganze Truppe Soldaten war ohne Zweifel Grund genug, Seregil in Rage zu versetzen.
    »Sir! Sir!«, rief eine durchdringende Stimme. »Wacht auf, Sir. Euer Schiff läuft in den Hafen.«
    Micum schob seinen Hut zurück und sah einigermaßen amüsiert zu, wie sein aufgeregter Wachposten, ein Knabe von etwa zehn Jahren, hastig die schlammige Straße herauftollte. Dies war schon die dritte derartige Meldung an diesem Tag.
    »Und du bist dieses Mal sicher, dass es das richtige Schiff ist?«, fragte er, ehe er sich mit schmerzverzerrtem Gesicht erhob. Selbst nach einem Tag des Ausruhens schmerzten die vernarbten Muskeln in seiner rechten Hüfte mehr, als er zugeben würde. Die Wunden aber, die ein Dyrmagnos zufügen konnte, schmerzten auch dann noch, wenn das Fleisch längst verheilt war.
    »Seht doch, Sir, dort. Ihr könnt die Flagge sehen«, beteuerte der Knabe. »Überkreuzte Schwerter unter einer Krone auf einem grünen Feld, genau, wie Ihr gesagt habt. Und an Bord ist die berittene königliche Garde, ja?«
    Micum starrte mit zusammengekniffenen Augen auf die See hinaus. Noch vor wenigen Jahren wäre ihm das weniger schwer gefallen.
    Verdammt. Ich werde langsam alt!
    Trotzdem hatte der Junge dieses Mal Recht. Micum ergriff seinen Gehstock und folgte ihm hinunter zur Küste.
    Das Schiff ging vor Anker, Beiboote wurden ausgesetzt. Am Hafen hatten sich bereits Neugierige versammelt und schwatzten aufgeregt, während die Soldaten an Land ruderten.
    Micum grinste erfreut, als er den rothaarigen Offizier im Bug des führenden Bootes erblickte. Ob seine Sehkraft nun nachließ oder nicht, er erkannte seine Beka, wenn er sie sah. Auch sie entdeckte ihn nun und stieß einen Jubelschrei aus, der über das Wasser zu ihm herüberhallte.
    Aus der Ferne war es leicht, sie als das Mädchen zu sehen, das sie gewesen war, als sie ihr Zuhause verlassen hatte, um sich dem Regiment anzuschließen, ein Mädchen, das nur aus Beinen und Lebensfreude zu bestehen schien. Von seinem Standort aus sah sie viel zu mager aus, das Gewicht von Kettenhemd und Waffen zu tragen, aber Micum wusste es besser. Beka war schon immer stark gewesen.
    Doch als das Boot näher kam, schwand die Illusion. Eine Mischung aus Autorität und Entspannung umgab sie, als sie mit einem Reiter, der gleich hinter ihr stand, über einen Scherz lachte.
    Nun hat sie, was sie immer wollte, dachte er mit einem Aufwallen bittersüßen Stolzes. Kaum zweiundzwanzig Jahre alt, war sie schon ein kampferprobter Offizier des besten
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