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Schattengilde 03 - Unter dem Verrätermond

Titel: Schattengilde 03 - Unter dem Verrätermond
Autoren: Lynn Flewelling
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dieser Not zu führen.
    Ein Gardist öffnete die Zeltklappe für sie, und sie trat in die drückende Hitze unter der Plane.
    Mächtige Gobeline, die von der Firststange herabhingen, teilten den Empfangsbereich ab, in dem sich auf den Ruf der Königin hin bereits unzählige Offiziere und Zauberer versammelt hatten. Magyana nahm ihren Platz zur Linken des leeren Throns ein und nickte Thero, ihrem Schützling und Mitverschwörer, zu, der ganz in der Nähe wartete. Er verbeugte sich, und seine unbewegten, attraktiven Züge verrieten rein gar nichts von seinem Inneren.
    Der Gobelin hinter dem Thron wurde zur Seite geschoben, und Idrilain betrat den Raum, gestützt von ihrem ältesten Sohn, Prinz Korathan. Ihnen folgten die drei Töchter der Königin. Bis auf die pummelige Aralain trugen sie alle Uniform.
    Idrilain nahm ihren Platz ein, und ihre Erbin, Phoria, legte das uralte Schwert von Ghërilain auf die Knie ihrer Mutter.
    Unerschrocken in der Schlacht und weise im Frieden, hatte Idrilain die antike Klinge über vier Jahrzehnte ehrenvoll geführt. Nun, und das wussten nur ihre engsten Vertrauten, war sie zu schwach, sie ohne Hilfe zu heben.
    Ihr dichtes graues Haar fiel unter dem goldenen Diadem fließend über ihre Schultern und verhüllte ihren schlanken Hals. Weiche Lederhandschuhe kleideten ihre von der Zeit gezeichneten Hände, und ihr ausgemergelter Körper war in eine dicke Robe gehüllt, die das Ausmaß ihres Siechtums verbarg. Die drysischen Arzneien dämpften den Schmerz gerade genug, ihr erschöpftes Herz nicht über Gebühr zu belasten, doch selbst ihrer Macht waren Grenzen gesetzt. Nur Theros Magie vermochte den Anschein von Fülle und Farbe auf den Wangen der Königin zu erwecken und ihre Stimme mit trügerischer Kraft zu erfüllen. Allein ihre fahlblauen Augen waren tatsächlich unverändert wachsam und scharf wie die eines Fischadlers.
    Die Wirkung der Magie war bemerkenswert, doch es war von besonderer Tragik, dass sogar Idrilains eigene Kinder solchermaßen getäuscht werden mussten.
    Die beiden Gatten der Königin hatten ihr je drei Kinder geschenkt, und diese Kinder waren so verschiedenartig wie die Männer, die sie gezeugt hatten. Die ältesten drei – Prinzessin Phoria, ihr Zwillingsbruder Korathan und ihre Schwester Aralain, waren groß, blond und ernsthaft.
    Klia, die Jüngste und einzige Überlebende des zweiten Trios, hatte die gleichen attraktiven Züge, das gleiche haselnussbraune Haar und die Schlagfertigkeit, die schon ihren Vater und ihre beiden Brüder ausgezeichnet hatte, zu deren Angedenken sie noch immer einen schwarzen Schultergurt trug. Von diesen sechs Kindern hatten die Zauberer der Orëska stets das älteste und das jüngste Mädchen immer am meisten im Auge behalten.
    Gewandt und furchtlos in der Schlacht, war Phoria durch die Ränge der berittenen königlichen Garde zur Oberkommandantin der skalanischen Kavallerie aufgestiegen. Inzwischen schon beinahe fünfzig Jahre alt, war sie in militärischen Kreisen für ihre taktischen Innovationen ebenso bekannt wie bei Hofe für ihre ungehobelte Sprache und ihre unglückselige Unfruchtbarkeit. Hätten zu Lebzeiten ihrer Urgroßmutter ihre militärischen Verdienste vollkommen ausgereicht, den Thron zu besteigen, so hatten sich seither doch die Zeiten geändert, und Magyana war nicht die einzige, die befürchtete, dass es Phoria an notwendigem Weitblick mangelte, um ein Land zu regieren, das von den Widrigkeiten der Welt jenseits der Grenzen nicht unberührt blieb.
    Kurz vor seinem Tod hatte Nysander gegenüber Magyana überdies Andeutungen über Unstimmigkeiten zwischen Thronerbin und Königin gemacht, war jedoch durch einen Schwur gehindert worden, ihr mehr zu offenbaren.
    »Wir sind die ältesten der Orëska-Zauberer, meine Liebe. Niemand weiß besser als wir, in welch prekärem Gleichgewicht das Gemeinwohl auf der Klinge von Ghërilains Schwert balanciert«, hatte er sie gewarnt. »Bleib stets in der Nähe des Thrones und all jener, die irgendwann auf ihm sitzen mögen.«
    Magyana richtete ihre Aufmerksamkeit auf Klia und fühlte eine vertraute Woge der Zuneigung. Mit fünfundzwanzig kommandierte sie nicht nur eine ganze Schwadron hochherrschaftlicher Pferde, sondern hatte überdies bereits ihre diplomatische Begabung unter Beweis gestellt. Es war kein Geheimnis, dass sich viele Skalaner wünschten, sie wäre die Erstgeborene.
    Idrilain hob die Hand und Schweigen kehrte ein. »Wir werden diesen Krieg verlieren«, begann sie mit
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