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Schattengilde 03 - Unter dem Verrätermond

Titel: Schattengilde 03 - Unter dem Verrätermond
Autoren: Lynn Flewelling
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Seite zu ziehen, wenn sie eine Pause einlegten, um die Pferde zu tränken.
    »Ach, Markis.« Rhylin sah sich um, um sich zu vergewissern, dass sich Beka außer Hörweite befand. »Sie haben sich geliebt, jedenfalls, wenn ihnen die Zeit dazu blieb. Beide aus dem gleichen Holz, aber im letzten Herbst hat sie das Glück verlassen. Seine Turma geriet in einen Hinterhalt. Die, die nicht im Kampf fielen, wurden zu Tode gefoltert.« Ein wehmütiger Ausdruck trat in Rhylins Augen, als ob er in grelles Licht blinzelte. »Es wird eine Menge darüber geredet, was sie unseren weiblichen Soldaten antun, aber ich sage Euch, Sir Micum, den Männern ergeht es auch nicht besser. Wir haben Leichen gefunden – Markis war nicht unter den Glücklichen, wenn Ihr versteht, was ich meine. Die Rittmeisterin hat danach zwei Tage mit niemandem mehr gesprochen, auch nicht gegessen oder geschlafen. Feldwebel Mercalle hat sie schließlich aus diesem Zustand gerissen. Mercalle hat im Laufe der Jahre mehr Angehörige zu Grabe getragen als sie, und ich nehme an, sie wusste einfach, was sie ihr sagen musste. Seither geht es Beka ganz gut, aber sie spricht nie über ihn.«
    Micum seufzte. »Ich kann mir nicht vorstellen, dass sie gern an ihn erinnert werden will. Und seitdem gab es niemanden mehr?«
    »Niemanden, den es zu erwähnen lohnt.«
    Micum konnte sich gut vorstellen, was das zu bedeuten hatte. Manchmal waren die körperlichen Bedürfnisse stärker als der Schmerz des eigenen Herzens. Manchmal war das eine Möglichkeit, seelische Wunden zu lindern.
     
    Als sich die Straße durch das Vorgebirge schlängelte, wurde der Untergrund trockener. Am frühen Nachmittag des dritten Tages konnte Beka über den hinter ihnen liegenden Baumwipfeln die Ebene erkennen, die sie am Vortag überquert hatten. Irgendwo jenseits des südlichen Horizonts lag die Küste des Osiat-Meeres und die Landbrücke, die die Halbinsel von Skala mit ihren Ländereien auf dem Festland verband. Der Rest der Urgazhi-Turma sammelte vermutlich inzwischen seine Kräfte bei Ardinlee.
    »Bist du sicher, dass wir schon heute auf sie stoßen?«, fragte sie ihren Vater, der neben ihr ritt.
    »So, wie du uns angetrieben hast, dürften wir noch vor dem Abendessen am Ziel sein.« Er deutete auf eine Gebirgsschlucht, einige Meilen voraus. »Da oben gibt es ein Dorf. Ihre Hütte liegt gleich dahinter.«
    »Ich hoffe, sie haben nichts gegen diesen Ansturm.«
     
    Die Sonne stand noch ein paar Stunden über dem westlichen Horizont, als sie den Flecken erreichten, der sich in das Tal eingenistet hatte. Schafe und Rinder grasten auf den Hängen, und in der Ferne hörten sie Hunde bellen.
    »Hier ist es«, sagte Micum, während er sie in das Dorf führte.
    Die Dorfbewohner gafften sie an, als sie auf den schlammigen Dorfplatz ritten. Hier gab es keine Tempel oder Tavernen, nur einen winzigen Schrein, verziert mit allerlei ausgebleichten Girlanden.
    Gleich hinter dem letzten Häuschen reckte eine tote Eiche ihre leblosen Äste gen Himmel. Hinter ihr wand sich ein Pfad in den Wald. Nachdem sie ihm etwa eine halbe Meile gefolgt waren, erreichten sie eine von einem Bachlauf durchzogene Hochweide, an deren Ende ein kleines Holzhaus stand. Ein Wolfsfell war zum Trocknen an eine Wand gespannt worden, und eine stachelige Aneinanderreihung von Geweihen diverser Größen zierte den First. Im Küchengarten gleich neben der Tür scharrten einige bunt gefiederte Hühner im Laub. Nicht weit davon entfernt befand sich ein Stall samt Pferch. Dort graste ein halbes Dutzend Pferde, und Beka erkannte unter ihnen Alecs Lieblingsstute, Patch, und zwei Aurënfaie-Pferde. Der haselnussbraune Hengst, Windläufer, war ein Geschenk ihrer Eltern, das Alec bei seinem ersten Aufenthalt in Watermead bekommen hatte. Die schwarze Stute, Cynril, hatte Seregil großgezogen.
    »Das ist es?«, fragte sie überrascht. Es war ein beschaulicher Ort. Rustikal. Ganz bestimmt kein Ort, den sie mit Seregil in Verbindung gebracht hätte.
    Micum grinste. »Das ist es.«
    Irgendwo jenseits des Stalles erklangen Axthiebe. Beka richtete sich im Sattel auf und rief: »Hallo! Jemand zu Hause?«
    Abrupt schwieg die Axt. Einen Augenblick später sprang Alec hinter dem Stall hervor, und sein blondes Haar flog ihm wild über die Schultern.
    Durch das raue Leben war er so hager und verwahrlost wie damals, als sie einander das erste Mal begegnet waren. Nichts war von dem städtischen Putz geblieben, den er sich in Rhíminee zugelegt hatte; seine
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