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Schalmeienklänge

Schalmeienklänge

Titel: Schalmeienklänge
Autoren: Nancy Kress
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wieder machen. Wenn das Bild wirklich der Zukunft entspricht, dem, was noch nicht geschehen ist… wie kann es im Bewußtsein existieren, wenn es noch nicht geschehen ist?«
    »Ich weiß es nicht.«
    »Aber du sagst mir doch die Wahrheit, so wie du sie verstehst?«
    Sein Arm spannte sich fester um mich. »Ja.«
    »War das der Rest der Droge, die ich für die Weißen Schalmeien hergestellt habe?«
    »Ja.«
    Ich starrte in die Dunkelheit und atmete schwer. »Ich werde dir niemals verraten, wie man sie zubereitet, Brant. Niemals. Weder aus welchen Substanzen noch in welchen Arbeitsgängen.«
    Er schwieg. Aus seinem Schweigen und der Anspannung seines Körpers schloß ich, daß er noch weiter auf diesen Punkt drängen wollte. Statt dessen flüsterte er leise, ganz dicht an meinem Ohr: »Du bist nicht weggelaufen, Fia. Jorry, du und ich… du bist nicht weggelaufen.«
    Ich hatte es nicht bedacht. In meinem Zorn und meiner Furcht angesichts der monströsen Reichweite der Bewußtseinskünste hatte ich über das Bild vor meinen Augen gar nicht nachgedacht. Jorry, Brant und ich – ich schwanger – in ferner Zukunft, wenn Jorry ein junger Mann wäre und unter einem Wappenfederbusch, den ich nicht kannte, in den Krieg zöge.
    »Federn aus Licht«, sagte ich. »Federn aus Licht. So etwas gibt es nicht, nicht von Vögeln aus Fleisch und Blut. Es ist eine Lüge, alles ist Lüge!«
    »Fia. Fia, Liebste…«
    »Es ist nicht die Zukunft!« erklärte ich. »Es ist sie nicht. Das Bewußtsein ist nicht fähig, die Zukunft zu sehen. Das war nur eine Geschichte, die anders dargeboten wurde als die anderen, vielleicht durch die Auswirkung der Weißen Schalmeien. Hast du nicht gesehen, daß das Bild irgendwie weißlich schimmerte? Aber es stellte nicht die Zukunft dar!«
    Brant schwieg. Er glaubte, was er glaubte. Aber es stimmte nicht. Ich wollte es nicht glauben. Eine schon bekannte Zukunft, und mein kleiner Sohn als Soldat…
    »Es stimmt nicht«, wiederholte ich. »Ich werde dafür sorgen, daß es nicht so wird.«
    Der Arm um mich und der lange, harte, an mich gedrückte Körper wurden reglos. »Dafür sorgen, daß es nicht so wird? Wie willst du das machen?«
    Ich schwieg.
    Brant sagte vorsichtig: »Willst du versuchen, mich noch einmal zu verlassen?«
    »Und willst du, wie du geäußert hast, versuchen, mich daran zu hindern, indem du mich einsperrst?«
    Lange Stille. In der Dunkelheit hörte ich unserer beider Herzschläge, meinen an meinen Rippen, Brants an meiner an seine Brust gedrückten Schläfe.
    »Nein«, antwortete er schließlich. »Nein. Ich werde dich nicht einsperren.«
    »Aus Liebe, Brant? Oder aus Fairneß, Gnädigkeit oder Mitleid? Oder weil du an das weiße Nebelbild glaubst und deshalb keine Notwendigkeit siehst?«
    »Spielt es eine Rolle? Du glaubst dem Bild nicht. Dann bist du in deinem Denken gleichermaßen frei – was immer meine Beweggründe sein mögen.«
    »In meinem Denken«, wiederholte ich langsam und sah wieder die drei riesigen Figuren: Jorry im Kriegshelm mit Federbusch, Brant, und ich schwanger. Schwanger…
    Automatisch legte ich in der beschützenden Geste der Frauen meine Hand auf meinen Bauch, der nun fest und flach war. Rasch rollte Brant sich auf mich, und sein Mund schloß sich auf den meinen. Meine Geste war keine des Verlangens gewesen, wurde es aber augenblicklich, und ich schlang die Arme um ihn. Seine mächtigen Brust- und Beinmuskeln ruhten auf den meinen. Ich spürte seinen Pulsschlag seitlich an seinem Hals, drückte meine Lippen darauf und sprach gegen den Geruch seiner Haut: »Ich werde nicht als Herrin in der Villa deines Vaters in Erdulin leben.«
    »Wir können hier leben, wenn du willst.«
    »Ich werde nicht von deinen Männern bewacht werden.«
    »Nein.«
    »Jorry wird nicht Jal-un erlernen. Alles andere, aber das nicht.«
    »Dann eben das nicht.«
    »Und ich werde dir nicht verraten, wie man die weiße Droge herstellt, Brant. Niemals.«
    Aber da stimmte er mir nicht zu. Ich sah, wenngleich glücklicherweise ohne Bilder, daß wir darüber immer wieder streiten würden. Sein heftiger Besitzerdrang würde sich nicht ändern, ebensowenig wie meine Ablehnung von Standesprivilegien und all die anderen Streitigkeiten, über die ein heikler Waffenstillstand erzielt worden war durch ein bedeutungsloses weißes Bild, das bei einem von uns Gläubigkeit, beim anderen Ungläubigkeit auslöste. Auf diesem zerbrechlichen Bild würden wir ein Zusammenleben ausbalancieren. Ich dachte, daß es
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