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Lesereise Friaul und Triest

Lesereise Friaul und Triest

Titel: Lesereise Friaul und Triest
Autoren: Susanne Schaber
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Großes Welttheater auf kleiner Bühne
Logenplätze in Friaul und Triest
    Die Feigen in Betracht ziehen.
    Scipio Slataper , Triest, 1911
    Es könnten Logenplätze sein, das Schloss von Udine, die Rocca Bernarda oder die Abbazia di Rosazzo. Orte mit spektakulären Ausblicken, auf die Julischen Alpen und den Karnischen Kamm, auf den Karst und die Hügel mit ihren Weingärten, auf fruchtbare Ebenen und steinerne Flussläufe, aufs Meer. »Das Friaul ist ein Kompendium der ganzen Erde«, so der Dichter Ippolito Nievo, »es umfasst Alpen und Moräste, Granit und Lagunengewässer, sechzig Meilen von Nord bis Süd.« Welttheater – auf kleiner Bühne.
    Doch großes Drama und prächtige Inszenierungen passen nicht wirklich zum Friaul. Der Landstrich macht sich unauffälliger, als er ist: gut siebentausendachthundertfünfundvierzig Quadratkilometer groß, mit 1,2 Millionen Einwohnern, verteilt auf vier Provinzen, auf Udine, Pordenone, Gorizia und Triest. Zusammen bilden sie die Region Friaul-Julisch Venetien, kurzerhand Friaul genannt.
    Eine verschlossene Gegend. Viele verkennen sie, wenn sie von München oder Wien gen Süden hetzen, und ahnen nicht, was sie versäumen. Das Friaul verweigert sich dem eiligen Touristen. Es ist zu vielschichtig, um schnell erfasst und katalogisiert zu werden. Und eigentlich ist man froh darüber, denn der Landstrich soll so bleiben, wie er ist: langsam zu befahren, lustvoll zu erkunden. Auf engem Raum und ganz selbstverständlich finden sich hier mannigfaltige Sprachen, Kulturen und Traditionen zusammen, gespiegelt in Kunst, Küche und Keller, in der Lebensfreude und dem Eigensinn der Menschen, die hier leben.
    Mediterranes verbindet sich mit dem Alpinen, Romanisches mit dem Slawischen und dem Germanischen. Das macht einen eigenen Kopf. Die Friulaner stehen zu sich. Der Geschichte war nicht zu trauen, zu oft wechselten Herrscher und deren Interessen. Man hat sich nicht gehalten an die Direktiven der politischen Machthaber, an die Vermessungen der Geometer und die Gespräche an den Verhandlungstischen. Wer so nah an den Grenzen lebt, fühlt sich frei von Beschränkungen und sucht seinen eigenen Weg, offenen Blickes, festen Schrittes und mit geradem Rücken.
    »Es gibt ein Italien der Provinz, ohne kleinkarierte Eifersüchteleien«, weiß Claudio Magris, selbst in Triest zu Hause, »und oft mit mehr Leben und Intelligenz als in den sogenannten großen Zentren, die sich für Premieren-Lichtspielhäuser halten und manchmal doch bloß alte Kinos sind, kurz vor der Schließung.« Das Friaul und seine Städte sind so ein Stück Provinz, zurückhaltend und spröde, aber feinnervig-weise, vielstimmig und voller Hintersinn.
    Hier wachsen Feigen, und sie hängen tiefer, als man meinen möchte. Man sollte sie unbedingt in Betracht ziehen.

Augen zu, Löffel in den Mund
Lebensgenüsse in Cividale: eine Zeitreise
    Löffelchen, kleine Blechlöffelchen, gut zwanzig Stück. Ohne die geht für Moreno Scubla einfach gar nichts. Sie lagern unterm Ladentisch und warten auf Ausgang. Moreno Scubla lässt sie häufig raus. Jedes Mal, wenn ein Kunde sein Geschäft ansteuert, um Öl zu kaufen und dies auch ernst nimmt, kommen die cucchiaini zum Einsatz. Dick und träg fließt das Öl aus den Flaschen in die Löffel: extra vergine von der ligurischen Küste, vom Gardasee und aus dem Friaul, biologisches Olivenöl aus den Marken und der Toskana, Öl per cucinare e mangiare , günstiges Öl und teures. Gut sind sie alle. Jedes schmeckt anders: scharf und kräftig das eine, fruchtig das andere, etwas milder, weil länger gelagert, das dritte. Und jedes von ihnen öffnet die Sinne für eine andere Landschaft, für einen anderen Baum. Eine Expedition, Schluck für Schluck.
    Cividale, Corso Mazzini, die Hauptstraße durch die Altstadt. Auf Nummer 33 ein Geschäft. »Scubla – Antica Drogheria«, durchsichtige Lettern auf Milchglas. Und darüber noch ein Hinweis: »Torrefazione del Caffè«, Kaffeerösterei. Hinter einer Tür aus Holz liegt ein altmodisch anmutender Laden, weiß lackierte Einbaukästen und Regale, spätes Art déco, ein grauer Kachelboden. Seit 1921 gibt es die drogheria , seit bald vierzig Jahren ist sie im Besitz der Familie Scubla. Moreno und Ermes haben das Geschäft von ihrem Vater übernommen, und der hatte es seinem Vorgänger abgekauft. Ursprünglich seien hier Kolonialwaren und Putzmittel verkauft worden, erzählt Moreno. Aber ihm habe die Bezeichnung drogheria so gut gefallen, dass er sie beibehalten
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