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SÄURE

SÄURE

Titel: SÄURE
Autoren: Jonathan Kellerman
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Sachen.«
    »Was für Sachen?«
    »Haus-Sachen, er sagt Madeleine und Sabino und Carmela und all den Dienstboten und Lieferanten, was zu tun ist. Manchmal macht er uns auch etwas zu essen, wenn er nicht zuviel zu tun hat, Häppchen und solche Kleinigkeiten. Madeleine kocht die großen, warmen Mahlzeiten, und er fährt alle Wagen, Sabino fährt nur den Lastwagen.«
    »Alle Wagen«, erkundigte ich mich, »habt ihr eine Menge?«
    Sie nickte. »Eine Menge, mein Vater mochte Autos, und er hat sie gekauft, bevor er starb. Mutter hat sie in der großen Garage stehen, obwohl sie sie nie fährt, daher muß Jacob sie fahren, damit sie nicht im Motor festkleben. Und jede Woche kommt eine Firma, die sie wäscht. Jacob paßt immer auf, damit sie ihre Arbeit gut machen.«
    »Klingt ganz so, als ob Jacob viel zu tun hat.«
    »Das hat er. Wie viele Autos haben Sie?«
    »Nur eins.«
    »Was für eins?«
    »Einen Dodge Dart.«
    »Dodge Dart«, wiederholte sie, spitzte die Lippen und dachte nach, »so einen haben wir nicht.«
    »Er ist nicht sehr schön, er ist sogar ziemlich verbeult.«
    »Wir haben auch so einen. Einen Cadillac Knockabout.«
    »Cadillac Knockabout«, sagte ich, »ich glaub’ nicht, daß ich je von diesem Modell gehört habe.«
    »Mit dem sind wir heute hergekommen, mit einem 62er Cadillac Fleetwood Knockabout. Er ist schwarz und alt. Jacob sagt, er ist ein Allzweckfahrzeug.«
    »Magst du Autos, Melissa?«
    Achselzucken. »Nicht besonders.«
    »Was ist mit Spielsachen? Hast du welche besonders gern?«
    Achselzucken. »Nicht besonders.«
    »Ich habe Spielsachen in meinem Behandlungszimmer. Wollen wir sie uns mal ansehen?«
    Sie zuckte ein drittesmal die Achseln, erlaubte mir jedoch, sie hineinzuführen. In der Praxis wanderte ihr Blick zwischen dem Schreibtisch, den Bücherregalen und der Spielzeugkommode unentwegt hin und her, während sie nervös mit ihren Händen spielte.
    Ich ging zur Spielzeugkommode, öffnete sie und zeigte darauf. »Ich hab’ hier viele Sachen. Gesellschaftsspiele, Puppen, Ton und Play-Doh, auch Buntstifte, falls du malen möchtest.«
    »Warum soll ich das denn?« fragte sie. »Warum sollst du was, Melissa?«
    »Spielen oder Malen, Mutter sagte, wir würden uns unterhalten.«
    »Deine Mutter hat recht, wir werden uns unterhalten«, bestätigte ich. »Aber manchmal möchten die Kinder, die hier herkommen, erstmal spielen oder malen, bis sie sich hier eingewöhnt haben.«
    Ihre Handbewegungen wurden immer nervöser. Sie sah zu Boden und schwieg.
    »Spielen und sprechen kann den Kindern helfen, ihre Gefühle auszudrücken und zu zeigen.«
    »Ich kann meine Gefühle ausdrücken«, sagte sie, »indem ich rede.«
    »Großartig«, sagte ich, »laß uns reden.«
    Sie nahm auf dem Ledersofa Platz, und ich setzte mich ihr gegenüber in einen Sessel. »Okay, fangen wir doch mal damit an, daß wir uns darüber unterhalten, wer ich bin und weshalb du hier bist. Ich bin ein Psychologe. Weißt du, was das ist?«
    Sie spielte nervös mit den Händen und trat mit den Hacken gegen die Couch. »Ich habe ein Problem, und Sie sind ein Arzt, der Kindern hilft, die Probleme haben, und Sie geben keine Spritzen.«
    »Sehr gut, hat Jacob dir das erzählt?«
    Sie schüttelte den Kopf. »Doktor Wagner hat von Ihnen erzählt - sie ist eine Freundin meiner Mutter.«
    Ich erinnerte mich an das, was Eileen Wagner mir von ihrem kurzen Gespräch unter vier Augen von dem kleinen Mädchen, das in einem großen, unheimlichen Haus herumwanderte und sich versteckte, erzählt hatte. »Aber Dr. Wagner hat sich deinetwegen mit deiner Mutter verabredet, nicht wahr, Melissa? Wegen deines Anrufs im Krankenhaus.«
    Ihr Körper versteifte sich, und die kleinen Hände bewegten sich schneller, bis ihre Ballen rot und nahezu wundgescheuert waren. »Ja, aber sie mag meine Mutter.«
    Sie wandte ihren Blick von mir ab und starrte auf den Teppich.
    »Ja«, sagte ich und ging noch mal auf den Ausgangspunkt unserer Unterhaltung zurück. »Dr. Wagner hatte recht wegen der Spritzen. Ich gebe nie Spritzen, ich weiß nicht einmal, wie man Spritzen gibt.«
    Unbeeindruckt starrte sie auf ihre Schuhe. Sie streckte die Beine gerade aus und fing an, mit den Füßen auf und ab zu wippen.
    »Trotzdem«, fuhr ich fort, »auch wenn man zu einem Arzt geht, der keine Spritzen gibt, kann man sich ängstigen, da du nicht weißt, was auf dich zukommt.«
    Ihr Kopf schoß hoch, ihre grünen Augen sahen mich herausfordernd an: »Ich hab’ keine Angst vor
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