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Hingebungsvoll

Hingebungsvoll

Titel: Hingebungsvoll
Autoren: Natalie Rabengut
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    Mit einem Seufzen lehnte Julian Keyes seine Stirn gegen die kühle Fensterscheibe und sah den Tropfen zu, wie sie gegen das Glas prasselten.  
    „Das ist doch scheiße!“, murmelte er kaum hörbar und doch regte Vivian sich. Er drehte sich um und wartete mit angehaltenem Atem, ob sie wach werden würde. Glücklicherweise schien seine Schwester einen sehr gesunden Schlaf zu haben – zumindest in seinem Zimmer.
    In ihrem eigenen bekam sie angeblich kein Auge zu, so kam sie seit mindestens zwei Wochen jede Nacht in sein Büro und verwickelte ihn ein Gespräch – und seit mindestens zwei Wochen fielen ihr schließlich in seinem Sessel die Augen zu und sie schlief selig. Ganz im Gegensatz zu ihm, der in der Nacht nicht zum Schreiben kam und tagsüber dann vollkommen unausgelastet im Bett lag. Aufgrund des Schlafmangels und seines verschwindend geringen Arbeitspensums war Julian gereizt und übermüdet.
    Er konnte selbst nicht genau benennen, woran es lag – aber Vivs Gegenwart hinderte ihn am Schreiben. Der Cursor blinkte noch immer auffordernd und Julian drehte sich wieder um. Der Parkplatz war ebenso gut gefüllt wie das Aviditas selbst und er starrte finster auf den Hof. Morgen wäre der 31. des Monats und das bedeutete, dass die Abrechnung an ihm hängen bleiben würde.  
    Obwohl er selbst nicht gedacht hatte, dass es überhaupt möglich war, verschlechterte seine Laune sich bei diesem Gedanken noch mehr. Wie schon mehrfach in dieser Nacht verfluchte er Dale dafür. Normalerweise kümmerte dieser sich nicht nur um die Abrechnung, sondern auch um das Aviditas und – viel wichtiger – Vivian.
    Julian wusste noch immer nicht, was eigentlich vorgefallen war, aber nun hatten seine Schwester und sein bester Freund offensichtlich ihre Beziehung beendet und Dale war verschwunden. Seit mehr als drei Wochen. Obwohl das eigentlich noch nicht lang war, fühlte es sich für Julian wie eine Ewigkeit an.
    Für Vivian war das Thema ein rotes Tuch und jedes Mal, wenn Julian versuchte, das Gespräch darauf zu lenken, flippte sie völlig aus und rauschte aus dem Zimmer – nicht, ohne gehörig die Tür zuzuknallen. Nach einer Weile hatte er es aufgegeben, nachzubohren. Dafür kannte er seine Zwillingsschwester zu gut. Er würde warten müssen, bis Dale wieder auftauchte.
    Einmal hatte er Vivian gegenüber den Vorschlag geäußert, dass sie Dale ja vielleicht anrufen könnte. Daraufhin hatte sie etwas von der zufrierenden Hölle gemurmelt und gedroht, ihm beide Hände an den Schreibtisch zu nageln, sollte er seinerseits versuchen, Dale anzurufen.
    Das zaghafte Klopfen an seiner Tür ließ ihn zusammenzucken, obwohl er eigentlich fest damit gerechnet hatte, dass Katie ihn noch einmal besuchen würde, bevor sie sich in den frühen Morgenstunden auf den Weg nach Hause machte.  
    Die blonden Locken schoben sich bereits durch den Türspalt, bevor Katie die Tür ganz geöffnet hatte. Sie spähte in den Raum und zog merklich die Augenbraue hoch, als ihr Blick auf die schlafenden Rothaarige in dem Sessel fiel. Julian zuckte hilflos mit den Achseln. Katie winkte ihn zu sich, also stand Julian so leise wie möglich auf und zog vorsichtig die Tür hinter sich zu.
    „Schläft sie noch immer nicht in ihrem Zimmer?“, erkundigte sie sich mitfühlend und erst jetzt bemerkte Julian, wie sehr seine Augen brannten. Die Anwesenheit seiner Schwester – so sehr er sie auch liebte – zerrte immer stärker an seinen Nerven.  
    Außerdem vermisste er die kleinen Plaudereien mit Katie. Normalerweise hätte sie gewartet, bis der Club geschlossen hatte und wäre mit einem starken Kaffee in sein Büro gekommen. Dann würde sie jetzt in dem Sessel sitzen, den Viv gerade belegte, und mit ihm reden; zuerst über sein aktuelles Projekt und dann über alles mögliche.  
    Doch daran war im Moment nicht zu denken und hier draußen auf dem Flur fühlte er sich immer wie zwischen Tür und Angel. Katie schien es genauso zu gehen, denn mittlerweile verabschiedete sie sich meistens schnell und verschwand. Julian hatte bereits überlegt, sich einen Laptop zuzulegen und mit Katie an der Bar Platz zu nehmen – aber das war irgendwie nicht das gleiche. Er mochte die Tatsache, dass sein Büro eine Tür hatte und niemand bei ihren Gesprächen zuhörte.
    „Nein, leider nicht. Aber jedes Mal, wenn ich versuche, das Gespräch auf das Thema zu lenken, rastet sie aus.“ Er fuhr sich mit der Hand durch die schwarzen Haare und seufzte zum wiederholten Male in dieser
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