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Rotes Meer

Rotes Meer

Titel: Rotes Meer
Autoren: Åke Edwardson
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hineingedrängt, den Dienstausweis gut sichtbar erhoben, falls es verlangt wurde. Aber oft wurde das nicht verlangt. Die Leute, die dort gewohnt hatten, waren meistens schon aus dem Leben abgetreten, vielleicht mitten in ihrer eigenen Wohnung, auf dem Fußboden, in einem Bett, auf einer Couch. Sie verlangten nicht nach einem Dienstausweis. Im Leben hatten sie dergleichen auch selten verlangt. Die meisten, die durch die Hand eines anderen gestorben waren, hatten nichts vom Leben verlangt und selten etwas bekommen. Dafür war es zu spät, immer war es zu spät. Der Tod war eine unsaubere Angelegenheit, etwas, das sich im Verborgenen abspielte.
    Winter sah auf seine Einmalüberziehschuhe. Hier drinnen leuchteten sie fast obszön. Vor seinem inneren Auge sah er das rote Meer. Er dachte an Krankenpflege, Krankenhaus. Patienten, die zum Arzt hineintappten. Zu seiner Frau. Sie war Ärztin. Vor einiger Zeit war sie seine Frau geworden, sie hatten in der schwedischen Kirche in Fuengirola geheiratet. Das und vieles mehr ging ihm durch den Kopf, während er das Zimmer nach einem Beweis absuchte, dass seine Vermutung stimmte. Von draußen hörte er den Verkehr von der Kanelgatan, weiter entfernt vom Pepparvägen und vom Timjansvägen. Lauter Gewürze, aber sie gehörten nicht zusammen, eklig. Ein Lichtstrahl brach durch einen Spalt zwischen den Lamellen. Das bedeutete, dass die Sonne aufgegangen war. Der Strahl zerschnitt den Raum, und in seinem Licht tanzte Staub. Es sah aus wie Nebel, putzen war vielleicht nicht gerade Jimmy Foros Hobby gewesen. Oder jemand anders hatte kürzlich den Staub aufgewirbelt. Allmählich würde er sich auf dem Boden ausbreiten. Winter sah auf den Fußboden. Dort entdeckte er etwas, das kein Teppich war. Er bückte sich. Es war ein Knopf, ein ganz kleiner Knopf, vielleicht ein Hemdenknopf. Winter schaute hoch, die Couch war fast auf Augenhöhe. Die Kissen schienen verschoben worden zu sein, aus dieser Perspektive herrschte keine Symmetrie mehr. Vielleicht hatte Jimmy Foro diese Anordnung vorgezogen, aber Winter war nicht sicher. Er richtete sich auf, ging zum Fenster, öffnete die Lamellen und sah auf die Straße. Sie glänzte weiß im Sonnenlicht, farblos. Das Gras war weiß, vielleicht ein Spiegel der Hausfassaden. Im Augenblick bewegte sich nichts auf der Kanelgatan. Als herrschte Siesta. Er drehte sich zum Zimmer um. Für Jimmy war nun Siesta bis in alle Ewigkeit, der große Schlaf. Aber in Nigeria ist Siesta kein Begriff. Dort ist der Tod, ein böser, schneller Tod – ein konkreter Begriff. Dort wie hier, auch im lieblichsten Land auf Erden. Ich grüße dich.

    Das Bett war nicht gemacht, vielleicht war es noch nie gemacht worden, in der Mitte ein faltiger Haufen wie ein Zelt. Auf dem Nachttisch stand ein Foto von einem Mann, der verhalten in die Kamera lächelte. Er war um die dreißig und es war Jimmy. Das Bild mochte vor fünf Jahren aufgenommen worden sein, vielleicht auch vor sechs oder sieben, auf jeden Fall in Schweden. Bisher hatte Winter nur sein Passfoto gesehen. Es war dasselbe Bild, derselbe Gesichtsausdruck. Aber so sah Jimmys Gesicht nicht mehr aus. Es war verschwunden, zusammen mit seinem Leben.
    Winter schaute sich nach weiteren Fotos um, konnte aber keine entdecken. Vielleicht irgendwo anders. Vielleicht Bilder von anderen Personen, aber Winter war nicht sicher. Jimmy hatte allein gelebt, soweit er wusste, nur sein eigenes Gesicht gab es auf dem Schränkchen neben dem Kissen. Hatte es noch andere Menschen in seinem Leben gegeben? Warum hatte er sterben müssen? Vielleicht nur, weil ein paar angetörnte Mistkerle hereingestürmt waren, um zu schießen, jemanden umzubringen, vielleicht nicht mal angetörnt, vielleicht nicht mal Mistkerle, doch, auf jeden Fall Mistkerle, die es auf die Kasse abgesehen, sie allerdings zurückgelassen hatten, die Schüsse waren so verdammt laut gewesen, dass die Mörder selbst einen Schock bekommen hatten. Oder war der Schock eingetreten, nachdem sie das Resultat ihrer Schießerei gesehen hatten?
    Oder nichts von all dem.
    Die Mörder hatten es auf Jimmy abgesehen, da sie alte Bekannte waren. Oder auf Said oder Hiwa oder auf alle drei oder zwei von ihnen. Es gab geplante Morde und es gab Pech: falscher Ort und so weiter. Man sollte sich nie am falschen Ort befinden, das war Regel Nummer eins für jeden. Immer der richtige Ort mit der richtigen Person zum richtigen Zeitpunkt.
    War Jimmys Laden der falsche Ort gewesen? Immer der falsche Ort?
    War
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