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Rotes Meer

Rotes Meer

Titel: Rotes Meer
Autoren: Åke Edwardson
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Ahmed?«
    »Braun«, antwortete er.
    »Er hatte braune Haare.«
    »Sie.«
    »Sie?«
    »Es war eine Frau«, sagte Ahmed.

42
    A us dem alten Land gibt es nur ein einziges Foto von mir. Darauf bin ich acht Jahre alt, vielleicht sieben. Ich springe von einem Felsen, und es sieht aus, als würde ich fliegen. Den Boden kann man nicht sehen, nur die Ebene und weit entfernt die Berge, darum sieht es aus, als würde ich wie ein Vogel hoch oben durch die Luft fliegen.
    Möchten Sie wissen, wer das Bild aufgenommen hat? Das war mein Vater. Er besaß keine Kamera, soweit ich weiß, aber er hat das Bild gemacht, er hatte sich irgendwo eine Kamera geliehen. Vielleicht hat er mich »mein kleiner Vogel« genannt, obwohl er mir den Namen einer Blume gegeben hat.
    Von ihm besitze ich kein Bild.
    Ich kann mich nicht mehr erinnern, wie er aussah. Ich möchte es gern, aber ich kann es nicht. Ob ich meine Mutter gefragt habe? Nein.
    Ich mache mir Sorgen, was jetzt aus ihr wird. Und aus meinen kleinen Geschwistern. Werden sie jetzt bleiben dürfen? Nach allem, was ich getan habe? Nach allem, was Hiwa getan hat? Oder werden sie meine Mutter und die Kleinen zurückschicken? Vielleicht nach Deutschland. Und von dort aus weiß man nicht, wohin.
    Mit meiner Mutter konnte ich über all das nicht sprechen. Werden Sie das für mich tun? Ich will nicht mit ihr sprechen, möchte es vielleicht nie. Sie dürfen es ihr erzählen. Wissen Sie, was Sie sagen sollen? Sie sollen sagen, dass ich es nicht wollte, ich wollte nichts von all dem, was passiert ist. Das sollen Sie ihr sagen.

    Wir wurden herumgefahren, in der Gegend herumgefahren. Warum, das weiß ich nicht. Es war wie ein Traum, den man nicht träumen will. Ein böser Traum. Den nennt man Albtraum, wie ein Mahlstrom. Ein Mahlstrom ist ein Strudel, der einen auf den Grund zieht, glaube ich. So war es. Nur ein Spiel, haben sie gesagt. Aber es war kein Spiel.
    Da waren Mädchen, die ich noch nie gesehen hatte. Sie kamen und verschwanden wieder.
    Die Kunden waren alle weiß. Nur weiße Schweden. Die Taxifahrer sorgten für die Kunden. Ich habe es fast sofort begriffen. Sie fragen, warum ich nicht früher begriffen habe, was passieren würde. Vielleicht habe ich das? Nein. Ich habe Hiwa vertraut. Er hat mir nicht gedroht, anfangs nicht. Später sagte er, er sei nicht mein Bruder. Nicht mein Bruder! Er zeigte mir irgendein Papier, auf dem stand, dass er es nicht sei. Aber ich glaubte ihm nicht. Als ich das Geld sah, glaubte ich an das Geld. Das ist das Schlimmste für mich. Das Allerschlimmste. Dass ich so sehr an das Geld glaubte.
    Jetzt dürfen Sie mich nicht mehr danach fragen, ich werde nicht mehr antworten.

    Als Mozaffar Kerim es erfahren hat, ist er fast durchgedreht.
    Er wollte mich heiraten. Er hat mich gefragt. Ich erinnere mich an den Augenblick, als wäre es eben gewesen, gerade vor fünf Minuten. Er hat nicht mit meiner Mutter gesprochen, sondern mit Hiwa. Hiwa hat gelacht, ihn ausgelacht. Als er ging, hat Hiwa gelacht.
    Da wusste Mozaffar noch nichts. Als er es erfuhr, drehte er durch. Aber das habe ich ja schon gesagt. Sie fragen, ob es niemand wusste? Nein, anfangs nicht. Dann wussten es einige. Sie sind ihnen begegnet. Ich konnte nicht mehr schweigen, ich wollte raus … ich wollte weg. Da haben sie mir gedroht. Jimmy und Said. Als ich weg wollte.
    Und Shahnaz. Shahnaz Rezai. Sie hat mir gedroht.
    Es war nicht Mozaffar Kerim. Er hat sie nicht umgebracht. Das habe ich getan. In ihrer Wohnung werden Sie keine Spuren von ihm finden, das weiß ich, denn er ist nie dort gewesen. Ich war es. Meine Spuren werden Sie finden. Ich bin als Letzte dort gewesen. Ich kann Ihnen sagen, wo das Messer liegt. Ich könnte es ausgraben und sie erneut damit erstechen.
    Es war der Hausverwalter, oder wie er genannt wird, er hat es verstanden, er hatte mich schon früher gesehen. Er hat alles durchschaut, ich habe es ihm angesehen. Hat er Ihnen das gesagt?

    Anfangs wusste Mozaffar Kerim nichts, und dann wusste er alles. Aber die Taxifahrer wollte er nicht auch noch umbringen. Zuerst wollte er es, doch dann hatte er keine Kraft mehr. Oder er wollte es später tun. Er hat mit ihnen zusammengearbeitet oder wie man das nennen soll. Er war immer noch wie wahnsinnig, wahnsinnig. Er tat so, als wäre er nicht wahnsinnig, aber den Schein kann man nicht wer weiß wie lange aufrechterhalten.

    Ich ging davon aus, dass nur Jimmy und Said im Laden sein würden. Mozaffar hatte gesagt, sie seien allein. Es war nicht
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