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Rotes Meer

Rotes Meer

Titel: Rotes Meer
Autoren: Åke Edwardson
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von Rot liegt ein Körper auf dem Fußboden. Der Taxifahrer hat hier schon öfter eingekauft, und er weiß, dass der Fußboden schwarzweiß gefliest ist. Da unten ist kein Gesicht. Er sieht ein Bein hinter dem Tresen hervorragen. Er sieht eine einsame Hand in einem anderen Teil des Ladens. So denkt er: eine einsame Hand. Still, sie ist still. Alles ist still. Er hört vereinzelte Motorengeräusche von der Autobahn im Westen. Bald werden die Leute zur Arbeit fahren. Im Juni haben noch nicht viele Urlaub, er auch nicht. Vielleicht im September, falls er es sich leisten kann. Oder vielleicht jetzt, jetzt auf der Stelle, in diesem Augenblick. Das ist ihm schon in den Sinn gekommen.
    Der Taxifahrer rührt sich nicht. Er sieht, wie das Rot über den gefliesten Fußboden kriecht. Nichts fängt es auf, saugt es auf, hindert es, stoppt es.
    Und in dem Moment – von der Straße, vom Himmel kommt kein Laut – hört er Schritte, leichte Schritte, wie von einem Kind, das über das Pflaster zu fliegen scheint, dann sind sie weg.
    Draußen ist jemand, denkt er. War jemand. Da draußen, hier drinnen. Jemand hat mich schreien hören. Jemand hat mich gesehen. Hier drinnen kann es ja niemand gehört haben. Sieh nur, was passiert ist. Herr im Himmel, wird er bald darauf sagen. Sie mussten das Auto holen. Ich kann mich nicht erinnern, dass ich sie angerufen habe, aber ich muss es getan haben.

    Vorsichtig ging Kriminalkommissar Erik Winter um das rote Meer herum, nachdem die Leute von der Spurensicherung ihn endlich hineingelassen hatten. Er blieb zwischen der Tür und dem Körper auf dem Fußboden stehen. Dort lag ein Mann, oder das, was von ihm übrig war. Viel war es nicht, nicht einmal ein Gesicht. Dem Mann war aus nächster Nähe ins Gesicht geschossen worden. Die Auswirkungen waren verheerend. Als wäre im Laden eine Bombe explodiert. Aber es war keine Bombe gewesen. So viel wussten sie schon. Es waren Schusswaffen in den Händen von Menschen gewesen.
    Rechts von den beiden Holzstühlen und einem umgeworfenen Tisch sah Winter Bertil Ringmar auf den Fliesen knien. Kommissar Ringmar schaute auf, schüttelte den Kopf und zeigte auf den vor ihm liegenden Körper. Leiche Nummer zwei, wenn man von der Tür aus zu zählen begann. Links, in der anderen Richtung, fast hinter dem Tresen, lag Nummer drei. Drei Tote, ein Massaker. Winter sah, worauf Ringmar deutete. Der Körper lag abgewandt, ein Rücken, ein Kopf, die Reste eines Kopfes.
    »Das Gesicht ist weg«, sagte Ringmar.
    Seine Stimme klang unnatürlich laut, wie elektronisch verstärkt. Sie zerriss die totale Stille, die bis eben geherrscht hatte, eine Stille, eine totale Stille, nachdem die Schüsse verhallt waren.
    »Das ist bei allen Dreien gleich«, sagte Winter.
    Von dem Opfer, das am weitesten von der Tür entfernt lag, konnte er nur die Schuhe sehen.
    »Wie hat er es geschafft, allen Dreien so nahe zu kommen?«, fragte Ringmar.
    Winter zuckte mit den Schultern.
    »Und fast gleichzeitig«, fuhr Ringmar fort.
    »Darauf gibt es eine Antwort«, sagte Winter. »Auf die Frage, wie er sich genähert hat.«
    »Man sollte sie nicht erkennen«, sagte Ringmar.
    Winter nickte.
    »Übrigens, willkommen daheim«, sagte Ringmar.

    Er war nach einem Winter und einem Frühling in Südspanien zurückgekehrt, aus einer schönen Wohnung in Marbella. Nicht viel Regen, nachts nicht so kalt, funktionierende Heizung, klare Tage. Jemand mit etwas Fantasie würde behaupten, er habe bis nach Afrika schauen können. Ein verdammt gutes halbes Jahr. Angela hatte in der Klinik gearbeitet, und er hatte zu Hause gearbeitet. Elsa und Lilly, ihre beiden Töchter, waren ihm direkt unterstellt, aber vielleicht war es auch umgekehrt gewesen. Vamos !, hatte er gesagt, und schon waren sie unterwegs, nach dem Frühstück, jeden Tag, hinaus in die klare Luft. Lasst uns gehen!
    Von den Dreien, die im bläulich kalten Licht des Ladens auf dem Boden lagen, würde keiner mehr irgendwohin gehen. Sie hatten zwar noch Schuhe an den Füßen, aber das war auch alles. Das blaue Licht veränderte sich langsam, als die Sonne am gezackten Horizont empor kroch. Winter befand sich im südwestlichen Teil des enormen Gebiets, das erschlossen und bebaut worden war, als es noch eine Art Glauben an die Zukunft gegeben hatte, der heute, in den ersten zehn Jahren des einundzwanzigsten Jahrhunderts, schwachsinnig erschien. Hier oben sollte die Stadt wachsen: Hjällbo, Hammarkullen, Gårdsten, Angered, Rannebergen, Bergsjön. Häuserhöllen
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