Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Wächter der Venus

Wächter der Venus

Titel: Wächter der Venus
Autoren: H. G. Ewers
Vom Netzwerk:
 
1
     
    Ich hatte gerade daran gedacht, daß mein Landungsboot mir wenigstens eine notdürftige Bleibe gewähren würde, wenn es mir nicht gelänge, in diesem schrecklichen Sandsturm die Plattform zu finden, als meine Sinnesorgane einen starken Energieausbruch hinter mir registrierten.
    Unwillkürlich schmiegte ich mich mit dem ganzen Körper dicht an den Flugsand und preßte den Schuppenkopf unter die steinharten Blätter einer unbekannten Pflanze.
    Kurz darauf fegte die Druckwelle einer Explosion über mich hinweg, überschüttete meinen Rückenpanzer mit Sand und erschütterte den Boden, so daß er plötzlich Wellen schlug wie der Pazifik unter der Gewalt eines Hurrikans.
    Ich benötigte nicht die Geduld eines Kreuzworträtsellösers, um den Grund für diese überraschenden Effekte herauszufinden. Er lag auf der Hand, auch wenn jemand, der mich sah, über diese Redewendung höchst verwundert gewesen wäre, denn ich besaß keine Hände im irdischen Sinne.
    Zuerst empfand ich nur den Schreck über den Verlust des Landungsbootes, dann gesellten sich Zorn und Erbitterung hinzu – Erbitterung über die Leute, die mir verheimlicht hatten, was nach der Landung mit dem Boot geschehen sollte. Heimtückisch hatten sie mich des letzten Restes beraubt, der mir noch von meiner irdischen Vergangenheit verblieben war.
    Mit den vier tellergroßen Tatzen ruderte ich panikerfüllt im weichen und heißen Sand umher. Das Gefühl des Lebendigbegrabenseins überwog sekundenlang das Wissen, daß mein derzeitiger Venusier-Körper für solche Eventualitäten hervorragend ausgerüstet war.
    Allmählich aber wurde ich ruhiger. Die klare Überlegung kehrte zurück, und ich sah alles in einem etwas anderen Licht.
    Eigentlich änderte der Verlust des Landungsbootes für mich so gut wie nichts. Ich hatte gewußt, daß ich damit nicht wieder starten konnte, um eines der drei Raumschiffe zu erreichen, die den zweiten Planeten des Sonnensystems in neunhundert Kilometern Höhe umkreisten. Ich war damit einverstanden gewesen, so lange auf der Venus zu bleiben, bis ich Gewißheit über das Schicksal der Ablösungsmannschaft erlangt, die Sandplattform MOBY DICK gefunden und ermittelt hatte, welche Pläne die Venusier hinsichtlich der irdischen Menschheit verfolgten – und bis ich den Wissenschaftlern da oben nachweisen konnte, daß mein monströser Körper noch immer von dem Geist meines richtigen Körpers beherrscht wurde, der in einem Flüssigkeitstank der SKANDERBEG schwamm. Unter diesen Umständen erschien die Zerstörung des Bootes absolut unerheblich.
    Dennoch blieb ein gewisser Groll in mir zurück. Wenn sie Berry Grand zutrauten, seinen Verstand zu behalten, während sein Geist im Kunstgehirn eines Venusiers durch die Glut- und Staubhölle des zweiten Planeten spazieren getragen wurde, dann hätten sie mir auch zutrauen sollen, daß ich nicht zusammenbrach, wenn sie mir über ein so unwesentliches Detail wie die Vernichtung des Beibootes schon vor dem Einsatz reinen Wein einschenkten.
    Aber so waren diese verrückten Kosmobiologen nun einmal; sie erklärten einem, daß man vielleicht für immer in einer Hölle bleiben mußte, wenn man bereit dazu war, aber sie fürchteten sich vor einer Panikreaktion, wenn sie verrieten, daß der Teufel eine Glatze hatte.
    Dieser Vergleich rief Belustigung hervor, obwohl ich nicht die mindeste Ursache dazu gehabt hätte. Aber in meiner Situation konnte man eben keine völlig normalen Reaktionen erwarten.
    Plötzlich stutzte ich.
    Vielleicht waren diese Kosmobiologen doch nicht so verrückt gewesen, wie es mein erster Impuls mir einreden wollte! Hatte ich nicht kurz vor der Explosion daran gedacht, daß mein Landungsboot mir eine Bleibe für den Fall gewährte, daß ich die Plattform nicht fand? Möglicherweise wäre dieser Gedanke so stark geworden, daß er mich in die fragwürdige Geborgenheit der Metallbüchse hineingetrieben und nicht mehr hinausgelassen hätte. Damit wäre meine Mission gescheitert gewesen. Nun aber würde mich genau der gleiche Gedanke dazu treiben, alle meine Energien für die Suche nach der Plattform einzusetzen …!
    Instinktiv schnappte ich nach der Speicherblase einer Hydrogeniumpflanze, die mich auf meinem Weg an die Oberfläche des Sandmeeres überholte. Ich schluckte das ovale Gebilde ganz hinunter, denn ich wußte, daß es im Innern meines Achtstufenmagens zersetzt werden würde, wodurch das lebenswichtige Wasserstoffgas aufgenommen werden konnte. Die Hülle war nutzlos für
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher