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Rotes Meer

Rotes Meer

Titel: Rotes Meer
Autoren: Åke Edwardson
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Häusern und dem Rannebergsvägen aufgefallen. Als hätten alle Bewohner dieser Gegend gleich vor der Tür ein zweites Zuhause, mit dem sie jederzeit davonfahren konnten.
    Sie standen immer noch im Treppenhaus.
    »Wann fangen Sie an zu arbeiten?«, fragte Winter den Hausverwalter.
    »Um halb acht. Ich komme meistens etwas eher, aber zwischen acht und neun hab ich werktags eigentlich Telefonzeit.«
    »Und das Büro befindet sich in diesem Haus?«
    »Ja, unterm Dach.«
    »Haben Sie jemanden getroffen, als Sie heute Morgen kamen?«
    »Nein … nicht direkt.«
    »Wie meinen Sie das?«
    »Ich hab jemanden mit dem Auto wegfahren sehen.«
    »Wann?«
    »Es war ungefähr sieben, vielleicht etwas später.«
    »Von wo?«
    »Von wo das Auto weggefahren ist? Vom Parkplatz.« Hannu Pykönen zeigte auf den ziemlich leeren Parkplatz vor dem Supermarkt. Vielleicht arbeiteten die meisten Leute. »Von da ist es weggefahren.«
    »Ein oder mehrere Autos?«
    »Nur eins. Es fuhr los, als ich das Büro aufschloss.«
    »Typ?«
    »Äh … es war vermutlich ein Opel. Ziemlich alt, glaub ich. Ich bin nicht sicher. Sah aus wie ein Corsa. Weiß. Ein bisschen verrostet.« Hannu Pykönen lächelte. »Daran erkennt man den Opel.«
    »Ziemlich alt?«, fragte Ringmar. »Was soll das heißen? Wie alt?«
    »Ich weiß es nicht. Vielleicht zehn Jahre oder so.«
    »War noch was mit dem Auto?«, fragte Winter.
    »Der rechte Kotflügel schien eine Beule zu haben, ein kleiner Unfallschaden.« Ringmar nickte.
    »Kennen Sie Said und seine Frau?«, fragte Winter.
    »Was … ist denn eigentlich passiert?«
    »Antworten Sie bitte nur auf unsere Fragen.«
    »Nein. Ich kenne sie nicht.«
    »Würden Sie sie denn erkennen?«
    »Nein … ich arbeite erst seit Ostern hier.«
    »Shahnaz«, sagte Ringmar. »Sie heißt Shahnaz.«
    Winter hielt dem Hausverwalter eine Kopie von Saids Passfoto hin. »Und dies ist Said.«
    Der Hausverwalter warf einen Blick darauf und schüttelte dann den Kopf.
    »Selbst wenn ich ihn getroffen hätte, hätte ich ihn sicher nicht erkannt.«

5
    W inter schloss die Tür. Im Flur wurde es kaum dunkler. Plötzlich fühlte er sich geblendet. Er blinzelte. Sekundenlang war ihm fast schwindlig. Seit sie aus Spanien zurückgekommen waren, war ihm das schon einige Male passiert. Wahrscheinlich war er zu ausgeruht, zu entspannt. Nicht richtig vorbereitet auf die reale Welt.
    »Was ist, Erik?«
    »Nichts.« Er öffnete die Augen.
    »Wie geht es dir?«
    »Vermutlich zu gut. Zu viel Entspannung.«
    »Mhm.«
    »Das geht vorbei.«
    Ringmar blickte in den Flur. Er blinzelte.
    »Mir gefällt das hier nicht.«
    Winter antwortete nicht.
    Sie gingen auf das Wohnzimmer zu. Linker Hand lag die Küche. Es gab keine Tür.
    Winter betrat die Küche, sah sich um. Sie wirkte fleckenlos, die Spüle sauber, nichts weiter auf dem Tisch als Blumen in einer Vase, rote, blaue, er hatte keine Ahnung, was für Blumen es waren. Unten sah er zwei Kinder auf dem kleinen Spielplatz schaukeln. Sie lachten, aber hören konnte er es nicht durch die Scheiben, sie waren zu gut isoliert. Es war wie ein Stummfilm, den er viele Male gesehen hatte: Kinder schaukelten auf einem Hof, den er nicht kannte, und doch hatte er das Gefühl, schon einmal hier gewesen zu sein. Es war ein Déjà-vu-Erlebnis, ohne ein Déjà-vu-Erlebnis zu sein. Er war schon einmal dort gewesen, viele Male, nur an einem anderen Ort, in einem anderen Stadtteil. Und immer waren Kinder da, auf Schaukeln, in Sandkästen. Wie eine Gewissheit, dass es trotz allem Hoffnung für die Zukunft gab.
    »Erik.«
    Er hörte die Schärfe in Bertils Stimme. Oder die Angst. Die professionelle Angst. Er kannte sie. Er wusste, was das war. Sie wartete dort draußen. Sie war schon da. Ringmar stand in der Türöffnung zu dem Zimmer rechter Hand im Flur, dem Schlafzimmer. Er drehte sich zu Winter um. Ja. Winter las in seinem Gesicht, was er gesehen hatte. Ringmars Blick kehrte ins Zimmer zurück. Winter sah , was er sah, er wusste es. Und dann war Ringmar im Zimmer verschwunden.

    Sie lag quer über dem Bett, ihr Kopf hing in einem unnatürlichen Winkel über der linken Längsseite des Bettes. Unnatürlich. Winter registrierte alles mit einem einzigen Blick. Im landläufigen Sinn, aus der menschlichen Perspektive, hatte die Szene nichts Natürliches, aber gleichzeitig, dachte er, während er auf die Frau zuging, gleichzeitig ist dies ein natürlicher Zustand, für mich, für Bertil, eine natürliche Situation. Darum sind wir hier. Dies
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