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Rotes Meer

Rotes Meer

Titel: Rotes Meer
Autoren: Åke Edwardson
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Jimmy die falsche Person gewesen? Immer die falsche Person?
    Und die Morgendämmerung – die Morgendämmerung war immer der falsche Zeitpunkt. Alles Böse geschieht in der Morgendämmerung. So war es überall auf der Welt.
    Winter kehrte in den Flur zurück. Er hörte Geräusche aus dem Treppenhaus, Schritte und Wortfetzen. In seiner Brusttasche klingelte das Handy. Er nahm es heraus.
    »Ja?«
    »Hier ist Bertil.«
    »Ja?«
    »Wo bist du?«
    »Ich steh in Jimmys Wohnung.«
    »Was gefunden?«
    »Vielleicht. Hier ist jemand gewesen.«
    »Hinterher?«
    »Ich glaube ja.«
    »Und hat wonach gesucht?«
    »Ich weiß es nicht. Wo bist du?«
    »Im Auto, auf dem Weg nach Rannebergen.«
    Winter hörte das Rauschen im Hintergrund, Verkehr, Brausen, Geklirr und Geschepper.
    »Was wolltest du, Bertil?«
    »In Rezais Wohnung meldet sich niemand. Ich hab mehrmals angerufen. Die Jungs aus Angered warten im Hauseingang gegenüber, aber sie sind nicht reingegangen.«
    »Said Rezai hat also eine Frau?«
    »Laut Auskunft der Einwanderungsbehörde ja.«
    »Auch Iranerin?«
    »Ja, er ist zuerst nach Schweden gekommen und sie hinterher.«
    »Kinder?«
    »Soweit die Behörden wissen keine.«
    »Und sie geht nicht ans Telefon?«
    »Wir konnten noch keinen Kontakt zu ihr aufnehmen, Erik. Sie weiß es noch nicht.«
    »Gut, ich werde es ihr erzählen. Ich möchte nicht, dass jemand an ihrer Tür klingelt, bevor ich dort bin.«
    Winter hörte wieder Stimmen vor der Tür.
    »Wie ist die Adresse?«
    »Fjällblomman … 9 «, las Ringmar von einem Zettel ab. »Ich kenne Rannebergen nicht, aber das Haus soll mitten im Zentrum liegen, wenn man das so nennen kann.«

    Rannebergens Zentrum bestand aus einem Supermarkt, einer Pizzeria, einer Schule, Sporthalle und Schwimmbad, Kindergarten, dem Büro der Wohnungsverwaltung und einem Parkplatz.
    Auf dem wartete Ringmar vor seinem Auto in der Zone des Bücherbusses. Daneben stand der Streifenwagen der Polizei von Angered.
    »Sie warten dahinten.« Ringmar zeigte auf eins der Gebäude, ein beige und braun gestrichenes dreistöckiges Haus mit rosa eingefassten Fenstern. An einem Balkon hing eine schwedische Flagge.
    Ein uniformierter Polizist stand vor der Haustür in der Mitte des Gebäudes. Für Winter war es das Gleiche wie zuvor, zum zweiten Mal an diesem Tag. Die gleichen Fragen an den Kollegen, die gleichen Antworten.
    Der zuständige Hausverwalter kam, ein Mann um die fünfzig mit einem Werkzeuggürtel um den Bauch wie ein Soldat. Er trug eine Kappe und auf einem Schild an seiner linken Brusttasche stand sein Name, Hannu Pykönen. Ringmar hatte ihn angerufen.
    »Sind Fredrik und Aneta schon bei Hiwas Familie gewesen?«, fragte Winter, während sie die Treppe hinaufgingen.
    »Ja. Dort herrschte Chaos.«
    »Welcher Art?«
    »Er ist … war der älteste Sohn in einer Familie mit mehreren Kindern. Kein Vater, der ist irgendwo in Kurdistan verschwunden, wie auch ein weiteres Kind. Die Mutter ist allein mit den anderen hier.«
    »Wie alt war Hiwa?«
    »Vierundzwanzig. Der Einzige in der Familie, der arbeitete. Schwarz, soweit ich verstanden habe, oder wenigstens grau. Aber was soll’s.«
    »Was für eine Art Chaos herrschte in der Familie?«
    »Kannst du dir das nicht vorstellen, Erik?«
    »Doch.«
    »Ich hab’s im Hintergrund während des Telefonats gehört«, sagte Ringmar.
    »Sei froh, dass nicht du dort sein musstest.«
    Ringmar antwortete nicht.
    »Wie viele Nachrichten dieser Art hast du schon überbringen müssen, Bertil?«
    »Viel zu viele. Als Ältester muss man viel zu viele solcher Nachrichten überbringen.«
    Das alles stimmte. Kommissar Bertil Ringmar war jahrelang derjenige gewesen, der die Nachricht vom Tod überbrachte. In den letzten Jahren hatten Winter und Ringmar sich die Last geteilt. Sie war höllisch. Jedes Mal war es schlimmer, als man sich vorstellen konnte, aber Chaos war Chaos, innerlich, äußerlich, manchmal beides zugleich.
    Niemand öffnete die Wohnungstür im zweiten Stock. Sie klingelten noch einmal und warteten. Der Hausverwalter Hannu Pykönen wartete. Ringmar klingelte wieder und hämmerte sicherheitshalber noch ein paarmal an die Tür. Dann nickte er Hannu Pykönen zu, der den Schlüsselbund schon in der Hand hielt.

    Winter sah die Bäume vor dem Wohnzimmerfenster, das genau vor ihm lag, am Ende des kurzen Flures. Das Zimmer war sehr hell. Als er in das Viertel eingebogen war, waren ihm die vielen Wohnwagen und Wohnmobile auf den Abstellflächen zwischen den
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