Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Rosenrot, rosentot

Rosenrot, rosentot

Titel: Rosenrot, rosentot
Autoren: Emily Arsenault
Vom Netzwerk:
zusammen? Habt ihr euch gezankt?«
    »Frag sie doch«, brummelte ich, starrte auf den überfrorenen Bürgersteig und versuchte, vorsichtig zu gehen.
    Toby schüttelte den Kopf. »Nee, sie hat gesagt, ich soll dich fragen.«
    Darauf wusste ich nichts mehr zu erwidern. »Ich will nur nach Hause«, wiederholte ich schnippisch.
    »Forscht ihr beide noch nach Rose?«, fragte Toby.
    »Ganz bestimmt nicht«, entgegnete ich und ging schneller, bis ich ein Stück vor ihm war. Leider rutschte ich dann auf dem Eis aus und landete hart auf dem Hintern.
    »Oh, Mist!« Toby bemühte sich, nicht zu lachen. »Alles okay?«
    »Ja.« Ich guckte ihn nicht an.
    Er wollte mir aufhelfen, aber ich tat, als würde ich seine Hand nicht sehen.
    »Hast du nicht gehört? Sie will, dass wir sie alle in Ruhe lassen«, rief Charlotte, die uns langsam einholte. Sie ging mit Sarah Boswell, dem Gymnastikwunderkind von weiter oben in der Straße.
    »Ich tue ihr ja gar nichts«, wehrte sich Toby. »Ich helfe ihr nur hoch.«
    Charlotte warf mir im Vorbeigehen einen traurigen Blick zu, ohne jedoch ihr Gespräch mit Sarah zu unterbrechen.
    Toby schaute mich an, wobei sein schlimmes Auge besonders weit zur Seite guckte. Ich hasste es, dieses blöde Schielauge anzusehen! Wieso brauchte Toby so viel länger als Charlotte, bis er etwas begriff?
    »Ich helfe dir hoch, und dann lass ich dich in Ruhe«, schlug er vor. »Wie wär’s?«
    Ich sah wieder weg und knurrte: »Vergiss den ersten Teil.«
    »Aber ...«
    »Lass mich in Frieden, Schieli!«, brüllte ich ihn so laut an, dass es mich selbst erschreckte.
    »Oh«, machte er verdutzt.
    Dann ging er vorsichtig an mir vorbei, drehte sich aber noch einmal zu mir um, bevor er weiter den Hügel hinauftrottete.
    Noch im Sitzen schaute ich mich um. Alles war so hässlich, wie es im Januar nun mal war: das dumpfe Weiß des vereisten Gehwegs, die Schmutzkrusten, die der Schneepflug an den Straßenrändern aufgeschüttet hatte; der graue Himmel mit dem dünnen Nebel, der mir in den Mund waberte, als ich dort saß und seufzte.
    Natürlich würde es auch wieder Frühling werden, aber der war halt noch unglaublich weit weg. Nein, in diesem Jahr schien es mir sogar, als käme er gar nicht mehr. Der Schnee war einfach zu hoch, das Eis zu dick. Wie sollte das je alles schmelzen? In diesem Jahr war der Frühling wie Atlantis: Ich wollte daran glauben, konnte es aber nicht. Das würde ich erst können, wenn ich es sah. Und ich hatte das sichere Gefühl, als würde es noch sehr lange Winter bleiben.

Zweiundzwanzig

    28. Mai 2006
    Ich wurde von Charlottes Schreien wach.
    »Wann? WANN ? Oh Mann!«
    Ich setzte mich im Bett auf. Wie spät war es? Charlotte und ich waren lange aufgeblieben und hatten Riesling zu unseren Hamburgern und S’mores getrunken. Danach war ich ins Bett gefallen, hatte aber schnell festgestellt, dass ich vor lauter Nachdenken über die Details meines Plans, um Toby zu helfen, nicht schlafen konnte. War ich imstande, die Polizei zu belügen? Wäre das auch dann »Behinderung der Justiz«, wenn es sich um einen Unfall gehandelt hatte und der Fahrer bereits verstorben war? Könnte ich dafür ins Gefängnis kommen, falls jemand herausfand, dass ich log, obwohl die Geschichte, die ich erzählte, in groben Zügen der Wahrheit entsprach? Vor lauter Grübeln und Weintrinken hatte ich Kopfschmerzen. Aber ich hatte immer noch vor, Toby zu treffen und Nägel mit Köpfen zu machen.
    »Gestern Abend, vermute ich«, war Porters Antwort auf Charlottes Frage.
    Er war hier, im Wohnzimmer. Offenbar hatte er Neuigkeiten und war direkt hierher gekommen, um sie Charlotte persönlich zu überbringen.
    »Ich habe die Pressekonferenz auf Channel Eight gesehen, vor einer knappen Stunde.«
    Ich setzte vorsichtig einen Fuß auf und stieg aus dem Bett. Dann warf ich einen Blick auf mein Handy. Zehn Uhr. Außerdem sah ich, dass ich eine Mailboxnachricht hatte.
    »Sie sagen, dass ein Angehöriger des Verantwortlichen ausgesagt hat. Anscheinend handelt es sich um eine sehr glaubwürdige Quelle. Und die Geschichte stimmt grundsätzlich mit den Ergebnissen der Autopsie überein. Wahrscheinlich fahrlässige Tötung im Straßenverkehr mit anschließender Vertuschung, sagen sie. Sprich: Fahrerflucht. ›Fahrlässige Tötung im Straßenverkehr‹, also ehrlich, wieso können die nicht einfach ›Unfall‹ sagen ...«
    Zitternd tippte ich das Symbol für die Mailbox an. Die Nachricht war um elf Uhr letzte Nacht eingegangen: »Hi, Nora, hier ist
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher