Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Rosenrot, rosentot

Rosenrot, rosentot

Titel: Rosenrot, rosentot
Autoren: Emily Arsenault
Vom Netzwerk:
überfahren wird. Ich will einfach nicht glauben, dass sie so grausam zu uns gewesen wäre.«
    Ich wollte etwas sagen, Toby versichern, dass Rose einfach gar nicht nachgedacht hatte. Dass sie viel zu sehr mit ihrem eigenen Unglück beschäftigt gewesen war, um an irgendjemanden zu denken. Doch bevor ich das sagen konnte, musste ich dringend noch eine andere Frage loswerden.
    »Ihre Leiche«, flüsterte ich. »Was hat er mit ihrer Leiche gemacht?«
    Toby beobachtete das Laub hinter dem Zaun, das wieder sanft im Wind raschelte.
    »Zuerst hat er sie in den Rübenkeller gebracht. Im Sommer danach, als Joe und ich zum Zelten waren, vergrub er sie tief unter den Erdhaufen im Keller, eingewickelt in Plastik. Und dort lag sie seitdem.«
    »Aber ... Aber wie kam sie ...«
    »Wart’s ab.«
    Er stand auf und schritt in kleinen Kreisen um mich herum, bevor er weitersprach.
    »Nachdem er gestorben war, habe ich nachgesehen. Ich grub. Trotz allem, trotz ihres Collegeblocks, hatte ich noch die winzige Hoffnung, dass das alles bloß die irren Fantasiegespinste eines Sterbenden gewesen waren. Aber ich fand sie. Eine Leiche in unserem Haus! Jemand, den wir gekannthatten, mein Gott! Jemand, den wir gemocht hatten! Und die ganzen Jahre hatte sie dort ganz allein gelegen. Ich dachte mir, wenn ich sie irgendwohin brachte, wo man sie fand, würde ihre Familie wenigstens Bescheid wissen und sie begraben können. Und am Teich hatte es ihr immer gefallen. Am Teich waren wir alle mal glücklich gewesen.
    So, jetzt weißt du, warum du mich zu spät gefragt hast. Ich war lange Zeit unschuldig. Damals hättest du mir noch helfen können. Auch nachdem ich den Collegeblock gefunden hatte, war ich noch unschuldig. Auch am Abend des Abschlussballs, als du angetrunken warst und ich es beinah geschafft hätte, dir zu erzählen, wovor ich Angst hatte, wäre es nicht zu spät gewesen. Aber am Schluss wurde ich panisch. Ich hatte nie geglaubt, dass es wahr sein könnte, und ich wurde panisch, als ich sah, dass es wirklich passiert war. Wie es aussieht, habe ich einiges an Blödheit von meinem Vater geerbt, und Panik kitzelt sie aus den Dean-Männern hervor.«
    Toby hörte auf, um mich herumzulaufen, und setzte sich wieder zu mir auf den Lehmboden. Dort guckte er mich erwartungsvoll an. Sein eines Auge flehte mich an, zu reagieren, das andere war vollkommen ausdruckslos. Ich legte eine Hand auf meinen Bauch und versuchte, nicht auf die Übelkeit zu achten.
    »Toby, du hast sie ausgegraben? Du hast sie gesehen?«
    »Ich habe gar nichts gesehen. Ich traute mich nicht, richtig hinzusehen. Das hätte ich nicht ausgehalten. Außerdem wusste ich ja, was es war. Sie war vollständig in eine alte Plastikplane eingewickelt. Ich packte das Ganze nur in den großen Korb und brachte sie an die Stelle, wo man sie schließlich gefunden hat.«
    Meine Hand bewegte sich auf Toby zu, doch irgendetwashielt mich davon ab, ihn zu berühren. Dann drehte er sich weg und vergrub das Gesicht in den Händen.
Unerklärliche Begegnungen
Dezember 1990
    Charlotte konnte mir nichts vormachen; ich wusste, dass sie das Band gestern Abend schon alleine abgehört hatte. Wahrscheinlich hatte sie sich längst jedes dumpfe Klopfen und jedes Kratzen in den neunzig Minuten Aufzeichnung gemerkt und wollte jetzt zugucken, was ich hörte. Garantiert wusste sie genau, wann sie darauf achten musste, ob ich plötzlich besonders aufmerksam hinhörte und so meine hellseherischen Kräfte verriet.
    »Ich hoffe, wir finden etwas«, verkündete sie affektiert, stellte eine Schale frisches Popcorn zwischen uns und drückte auf »Play«. »Ich hoffe, wir können beweisen, dass der gute Tom Edison recht hatte.«
    Der gute Tom Edison . Ich verdrehte die Augen. In ihren Büchern hatte etwas über Thomas Edison gestanden, der in seinen späten Jahren versucht hatte, Geisterstimmen mit Aufnahmegeräten einzufangen. Was auch interessant war, keine Frage, doch Charlottes Ton gefiel mir einfach nicht. Als würden wir Mr. Edison gut genug kennen, um ihn Tom zu nennen; als wären wir Figuren in einer von diesen PBS -Krimiserien, die meine Mutter sah – munter und klug, obwohl jemand gestorben war.
    Charlotte stopfte sich eine Handvoll Popcorn in den Mund und kaute laut darauf herum, während wir zuhörten, wie sie das erste Haus ansagte, an dem wir aufgenommen hatten. Während sich das Band bis zu der Stelle weiterbewegte, an der Toby uns unterbrochen hatte, saß Charlotte an ihrem Schreibtisch und inspizierte ihre
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher