Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ohne Mann bin ich wenigstens nicht einsam

Ohne Mann bin ich wenigstens nicht einsam

Titel: Ohne Mann bin ich wenigstens nicht einsam
Autoren: Nelly Arnold
Vom Netzwerk:
Prolog
    Z wei Tage vor dem Scheitern meiner Ehe hätte ich schon die Vorzeichen erkennen können:
    Freitagmorgen sieht mich Christoph von der Seite an und nickt mir mit verkniffenem Mund zu. So wie Fremde es in der U -Bahn machen, wenn sich versehentlich ihre Blicke treffen. Ich finde es seltsam, denke mir aber nichts dabei. Natürlich hätte mir sein Verhalten zu denken geben müssen, aber ich habe mir in der Vergangenheit oft genug den Vorwurf gefallen lassen, ich würde mit Vorliebe auf Kleinigkeiten herumreiten. Genau genommen hat es sogar mehrere Jahre gedauert, dieses Stigma loszuwerden.
    Ich will nicht wieder alte Wunden aufreißen und bohrende Fragen stellen: »Aber du hast mich wirklich ganz komisch angesehen, Christoph, so als würdest du dich irgendwie ertappt fühlen.« Nein, nein, nein. Diesen Satz verkneife ich mir lieber. Allein der Gedanke daran lässt mich erschauern. Dann würden nur noch die Lockenwickler und die Schürze fehlen, um als Nörgeltasche perfekt zu sein. Nicht umsonst habe ich meine Bugs-Bunny-Pantoffeln der Caritas gespendet. Wobei ich hinzufügen möchte, dass ich mir später Vorwürfe wegen meiner grotesken Gutmütigkeit machte. Wer zum Teufel würde in einem erdbebengebeutelten Gebiet mit Bugs-Bunny-Pantoffeln herumlaufen?
    Jedenfalls werde ich an diesem Freitagmorgen zum ersten Mal stutzig. Ob Christoph etwas auf der Seele liegt, das er mit mir besprechen möchte? Leider wurde mir schon vor Jahren die Frage von ihm verboten: »Was denkst du gerade?« Deshalb tue ich so, als sei nichts.
    Ein paar Stunden später: Christoph küsst mich auf die Stirn , als ich mich auf den Weg zur Arbeit mache! Ich persönlich habe noch nie jemanden auf die Stirn geküsst. Das ist ungefähr so, wie alkoholfreie Cocktails zu trinken. Entweder oder, dazwischen gibt es für mich nichts.
    Obwohl ich ganztags in einer Buchhandlung arbeite und Christoph erst abends, steht er immer um halb neun mit mir auf, und wir frühstücken gemeinsam. Meines Erachtens arbeitet Christoph in Teilzeit, nämlich von 17:10 bis 21:05 Uhr als Lehrer am Abendgymnasium, aber als ich das einmal sagte, sprach er zwei Tage nicht mehr mit mir.
    Ich sehe ihn also auf den Stirnkuss hin verwundert an, aber für ihn scheint das total in Ordnung zu sein. Das macht mir Angst.
    Und dann am Samstag der Riesenschock am Kaffeetisch: Er macht eine Bemerkung über meinen ersten winzigen und kaum sichtbaren Altersfleck auf dem Handrücken: »Ist das normal? Sieht hässlich aus. Lass mal checken, ob das nicht Krebs ist.«
    Also das finde ich nun wirklich übel. Ich sehe ihm direkt ins Gesicht und hoffe, er bemerkt, wie schockiert ich bin.
    Christoph bemerkt es nicht. Er rührt einfach seinen verdammten Zucker in seiner verdammten Kaffeetasse um.
    Am Abend frage ich ihn, ob er eigentlich findet, dass man mir mein Alter langsam ansehe. Gedankenverloren meint er: »Hmhm, ja, ja.«
    Ich will ihn schon zur Rede stellen, aber dann denke ich, dass es wahrscheinlich gar nichts mit mir zu tun hat, sondern dass der Stress in der Arbeit schuld ist. Frauen können so wunderbar verdrängen und schönreden. Auf diese Frage mit: »Hmhm, ja, ja«, zu antworten, grenzt schon an psychische Misshandlung oder Ehemobbing, falls es so etwas gibt.
    Heute denke ich, wie blöd ich gewesen sein muss, dass ich die Signale nicht wahrnahm und dieses unterkühlte Verhalten einfach so abtat. Bekanntlich ist man nachher immer klüger. Doch bevor ich klüger wurde, musste ich erst einmal ziemlich dumm dastehen.

1
    D er Sonntagmorgen, der mein Leben auf den Kopf stellen sollte, fing an wie immer. Zunächst deutete nichts auf eine bevorstehende Katastrophe hin. Es ging alles so schnell. Wie es ja auch Unfallopfer oft berichten. Oder wie meine Großtante Kathi immer zu sagen pflegte: »Gehst über d’ Straß, kimmt a Auto, und scho bist hinüber.« Sie war schon immer sehr pragmatisch.
    Ich stand um halb elf auf, deckte den Frühstückstisch und briet Spiegeleier mit Schinken. Gähnend wendete ich die Eier in der Pfanne, während im Radio darüber berichtet wurde, dass eine Rentnerin von ihrem Enkelsohn getötet worden war, weil sie ihm kein Geld hatte geben wollen. Bei solchen Gelegenheiten sagte Christoph oft: »Wie gut, dass wir keine Kinder haben.« Und das meinte er keinesfalls als Witz.
    Sonntags schliefen Christoph und ich lang und aßen dann gegen elf eine Mischung aus Frühstück und Mittag essen. Das Wort Brunch durfte ich nicht benutzen, weil Christoph diese modernen
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher