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Rosendorn

Rosendorn

Titel: Rosendorn
Autoren: Jenna Black
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einer Tür, für die eine Keycard nötig war. Nachdem Tante Grace ihre Karte durch den Schlitz gezogen hatte, öffnete sich die Tür auf den Parkplatz, den ich beim Warten in der Schlange gesehen hatte. Sie führte mich zu einem eleganten schwarzen Mercedes. Der Wagen war so makellos, als hätte sie ihn vor fünf Minuten erst vom Hof des Autohändlers gefahren. Er hatte diesen super Geruch nach neuem Auto, der nur von dem geschmacklosen Duftanhänger in Form einer Rose gestört wurde, der am Rückspiegel baumelte. Wenigstens war es keines dieser Kiefernduftbäumchen, die immer in Taxis hingen.
    »Dein Gepäck ist im Kofferraum«, sagte Tante Grace, noch bevor ich sie danach fragen konnte. Dann ließ sie den Motor an, und wir fuhren los.
    Die Brücke über den Graben war zwar zweispurig, jedoch sehr schmal, und die Geländer an den Seiten wirkten auf mich nicht besonders solide. Vielleicht kam das aber auch nur daher, dass mir das trübe, eklige Wasser in dem Graben echt Angst machte.
    Ich bemühte mich, gar nicht auf das Wasser zu achten, und warf einen – etwas sehnsüchtigen – Blick über meine Schulter auf das Pförtnerhaus, das die Grenze zwischen Avalon und der Welt der Sterblichen markierte. Ein Teil von mir wünschte sich bereits, ich hätte das Haus meiner Mom niemals verlassen. Ja, es war größtenteils echt ätzend, mit ihr zusammenzuleben, mich um sie zu kümmern, ihretwegen meine Freunde zu belügen. Doch immerhin wusste ich bei ihr, was mich erwartete.
    Eine Welle der Übelkeit überrollte mich, und mir verschwamm für einen Moment der Blick. Ich drehte mich um, um wieder nach vorn zu sehen.
    »Stimmt etwas nicht?«, fragte Grace.
    Ich schüttelte den Kopf und schluckte die Übelkeit hinunter. »Ich habe Jetlag, bin genervt, und mir ist schlecht von dem Geschaukel.« Ich fragte mich, ob es ihr etwas ausmachen würde, wenn ich in ihren neuen Wagen kotzte. Vermutlich ja.
    »Was hast du damit gemeint, als du sagtest, mein Vater sei ›indisponiert‹?«, fragte ich, als mein Magen sich – zum Glück – wieder etwas beruhigt hatte.
    »Er hat ein bisschen … juristischen Ärger. So kann man es, glaube ich, umschreiben.« Der Mercedes begann, ruhig und mühelos die steile zweispurige Straße entlangzufahren, die sich den Berg hinaufwand. »Aber keine Sorge. In einem oder zwei Tagen sollte sich alles aufgeklärt haben. Und ich werde mich gut um dich kümmern, bis er wieder zu Hause ist.«
    »Wo ist er denn?«
    Ein angespannter Zug erschien um ihren Mund, und sie zögerte, ehe sie antwortete. »Also gut, wenn du es unbedingt wissen
musst
«, sagte sie und klang, als hätte ich sie stundenlang gelöchert. »Er ist im Gefängnis.«
    Ich schnappte nach Luft. Während sie achtlos mit nur einer Hand lenkte, tätschelte sie mir mit der anderen das Knie. Ich musste dem Drang widerstehen zurückzuzucken.
    »Es ist nur ein Missverständnis«, erklärte sie in einem Tonfall, der vermutlich beruhigend klingen sollte. »Morgen oder spätestens übermorgen darf er vor der Ratsversammlung sprechen, und dann wird er auch sofort entlassen.«
    Mein Vater war im Knast. Alle möglichen Probleme und Hindernisse, die mich eventuell in Avalon hätten erwarten können, waren mir in den Sinn gekommen – doch
das
gehörte ganz sicher nicht dazu. Meine Hand bewegte sich wie von selbst wieder zu der Kamee an meinem Hals. Nervös strich ich mit den Fingerspitzen über die Oberfläche. Graces Blick folgte meiner Bewegung. Sie presste die Lippen aufeinander, als sie den Anhänger an der Kette erblickte, sagte jedoch nichts dazu. Ich ließ meine Hand sinken.
    Mir brannten unzählige Fragen unter den Nägeln, aber in dem Moment bog Grace auf einen winzigen Parkplatz, der gerade groß genug für höchstens sechs Wagen war. Sie war schon ausgestiegen und hatte den Kofferraum geöffnet, bevor ich ihr auch nur eine meiner Fragen stellen konnte. Das war sicher kein Zufall, doch im Moment war ich zu müde, um mir Gedanken darüber zu machen. Nach einem Nickerchen würde ich mich bestimmt nicht länger wie ein überfahrenes Tier fühlen und mich mit der guten alten Tante Grace zu einem vertraulichen Gespräch zusammensetzen, in dem sie mir erklären würde, was mit meinem Dad los war. Zum Beispiel, warum er im Gefängnis saß. Und was das für eine Ratsversammlung war, vor der er sprechen musste. Ich wünschte mir, ich hätte mich besser über das Regierungssystem von Avalon informiert. Zu spät. Aus dem Gemeinschaftskundeunterricht war
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