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10 - Geheimagent Lennet und der Spinnenbaron

10 - Geheimagent Lennet und der Spinnenbaron

Titel: 10 - Geheimagent Lennet und der Spinnenbaron
Autoren: Vladimir Volkoff
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Besuch bei Nacht

    Bis zehn Minuten nach zwei in der Nacht ging alles wie geschmiert.
    Die Hausmeisterin in der Avenue Marceau Nr. 18 schlief den Schlaf der Gerechten, als Lennet, der junge Geheimagent des französischen Nachrichtendienstes FND fünf Minuten vor zwölf an ihrer Loge vorbeischlich.
    Die Tür im dritten Stock rechts hatte nur zwei Schlösser.
    Lennet strich seine widerspenstige blonde Locke aus der Stirn und machte sich an die Arbeit. Mehr als achtzehn Jahre schien er nicht alt zu sein. Nur wer genau hinsah, entdeckte die Entschlossenheit einer langjährigen Agententätigkeit in seinem kantigen Gesicht. Das eine Schloß gab sofort nach, das zweite kostete etwas mehr Mühe und die Anwendung einiger feiner Werkzeuge. Dann leistete es auch keinen Widerstand mehr.
    Der Vorraum war groß und nur mit einem Schreibtisch, Telefon, Schreibmaschine und einigen Sitzgelegenheiten möbliert. Das war schnell durchsucht:
    Schreibmaschinenpapier mit Aufdruck: L.A.D.S. unter einer Krone, Blaupapier, Kugelschreiber und sechs Lippenstifte in verschiedenen Farben. Das war alles.
    Vom Gang gingen vier Zimmer, eine Küche und ein Badezimmer ab. Drei der Zimmer lohnten eine genauere Untersuchung so wenig wie die Küche oder das Bad.
    Das vierte dagegen, das größte mit zwei hohen Fenstern zur Straße hinaus, schien als Arbeitszimmer zu dienen, und offensichtlich für irgendeinen Generaldirektor, der von seiner Bedeutung überzeugt war.
    Riesenschreibtisch mit Luxusausstattung, abstrakte Bilder an der einen, Grafiken an der anderen Wand, Bücher mit pompösen Ledereinbänden, hier fehlte nichts. Auf diesen Raum konzentrierte Lennet seine Aufmerksamkeit und alles ging glatt – wenigstens bis zehn nach zwei.
    Auf dem Schreibtisch stand eine Anzahl von Ordnern.
    Lennet stapelte sie alle auf die Platte und begann zu fotografieren, Seite für Seite. Dann stellte er alles wieder zurück.
    Der Aktenschrank war voller älterer Akten. Hier fotografierte Lennet nur die ersten Seiten. Für den Tresor brauchte der geschickte Agent fünf Minuten, dann ging er auf und zeigte, daß er nichts enthielt außer etwas Bargeld.
    Blieb also nur noch der Wandschrank, der nicht einmal abgeschlossen war. Stöße von leerem Papier, ein wenig Schreibmaterial, das war alles.
    »Na prima«, dachte der junge Geheimagent. »Das nennt man eine Aufgabe ohne Hindernisse.«
    Er würde alles in Ordnung bringen, sich aus dem Haus schleichen, die Filme beim Chef seiner Organisation abliefern, einer Geheimdienstorganisation für besondere Aufgaben, und das war alles.
    Ganz einfach – bis neun Minuten nach zwei!
    Zehn nach zwei, als Lennet zum letztenmal mit seiner Taschenlampe durch das Büro spazierte, um sich zu überzeugen, daß alles in Ordnung war, knirschte draußen ein Schlüssel im Schloß, und die Tür zur Wohnung wurde geöffnet.
    Man hörte Schritte auf dem Korridor. Sie näherten sich dem Büro.
    Noch drei Sekunden. Die Klinke bewegte sich, der Schalter klickte, das Licht ging an…
    Der Mann, der eintrat, war vielleicht sechzig Jahre alt.
    Er hatte einen Frack an, was seine schlanke Gestalt noch unterstrich. Um die Glatze blinkte ein Kranz silberner Haare. Mit seiner gebogenen Nase und seinen etwas hängenden Wangen glich er einem Raubvogel.
    Er setzte sich an den Schreibtisch und griff zum Telefon.
    Er rief das Fernamt an und verlangte eine Nummer. Dann hängte er wieder auf und wartete.
    Lennet, der auf einem der Regalbretter im Wandschrank lag, höchst unbequem übrigens, ließ die Augen nicht von dem Mann. Genauer gesagt, es war nur ein Auge, denn er konnte nur mit einem durch den schmalen Schlitz zwischen den beiden Türen des Schrankes hindurchsehen.
    Hoffentlich kriegt er bald den Anschluß und geht dann wieder, bevor ich einen Krampf kriege, dachte Lennet, dessen rechtes Bein langsam einschlief und dessen rechter Arm auch schon zu kribbeln begann.
    Der Anruf kam.
    »Hallo! Hier ist Saint-Amarante. Ich möchte den Prinzen sprechen.«
    »Ist am Apparat. Guten Abend, Monsieur.«
    »Guten Abend, Louis. Tut mir leid, daß ich so spät noch anrufe. Aber ich komme eben erst vom Ball in der Botschaft. Ich wollte Ihnen nur sagen, daß ich die Bestätigung für die Ankunft von Mister Burton bekommen habe. Er ist Mitglied des Rotary-Klubs.«
    »Kommt er allein?«
    »Nein. Er bringt seine Frau und zwei nette Kinder mit – ich hoffe wenigstens, daß sie nett sind. Der Junge heißt Theodor, wenn ich recht verstanden habe. Das Mädchen hat einen
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