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Rosendorn

Rosendorn

Titel: Rosendorn
Autoren: Jenna Black
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immer auf keinem der Schilder ausmachen.
    »Einen Augenblick, Miss«, sagte der Zollbeamte, nachdem er gefühlte zehn Jahre lang meinen Reisepass geprüft hatte. Verwirrt blinzelte ich, als er dann mit meinem Pass in der Hand seinen Platz verließ.
    Mein Hals wurde mit einem Mal trocken, als ich den Beamten mit einer großen, beeindruckenden Frau in einer marineblauen Uniform sprechen sah, an deren Gürtel sich eine Waffe und Handschellen befanden. Und mein Hals wurde noch trockener, als der Mann auf mich wies und die Frau in meine Richtung blickte. Tatsächlich machte sie sich dann auch auf den Weg zu mir. Ich bemerkte, dass der Zollbeamte ihr meinen Pass gereicht hatte. Das schien mir nicht gerade ein gutes Zeichen zu sein.
    »Bitte, kommen Sie mit mir, Miss …« Sie klappte den Pass auf, um nachzusehen. »Hathaway.« Sie hatte einen seltsamen Akzent, irgendwie britisch, jedoch nicht ganz. In der Zwischenzeit winkte der Zollbeamte den nächsten Wartenden in der Schlange zu sich heran.
    Ich musste näher an die Frau herantreten, um nicht von einer fünfköpfigen Familie niedergetrampelt zu werden, die hinter mir an den Schalter kam.
    »Gibt es ein Problem?«, fragte ich, und obwohl ich mich bemühte, lässig zu klingen, zitterte meine Stimme in diesem Moment ein wenig.
    Die Frau lächelte, auch wenn das Lächeln ihre Augen nicht erreichte. Sie legte ihre Hand auf meinen Arm und führte mich zu einer Tür an der Seite des Gebäudes, für die eine Keycard nötig war.
    Ich wollte den Griff meines Koffers packen, doch ein Typ in einem Overall kam mir zuvor. Er klatschte einen neonorangen Aufkleber darauf und schleppte das Gepäck dann hinter den Zollschalter.
    Ich überlegte kurz, ob ich eine Szene machen sollte, sah dann jedoch ein, dass das meine momentane Lage nicht eben verbessern würde.
    »Keine Angst«, sagte die Frau, die mich noch immer in Richtung Tür zerrte. Na ja, vermutlich »zerrte« sie mich gar nicht. Ihre Hand lag ganz leicht auf meinem Arm, und es war doch eher so, als führte sie mich. Allerdings hatte ich den Eindruck, dass sich das schnell ändern würde, sollte ich langsamer werden. »Es ist hier eine Standardprozedur, dass wir mit einem gewissen Anteil unserer Besucher eine Befragung durchführen.« Ihr Lächeln wurde breiter, als sie ihre Keycard durch den Schlitz an der Tür zog. »Es ist einfach Ihr Glückstag.«
    Stress und Schlafmangel waren mit einem Mal zu viel für mich, und Tränen brannten in meinen Augen. Ich biss mir auf die Innenseite meiner Backe, um nicht loszuheulen. Wenn das hier tatsächlich nur eine zufällige Auswahl war, warum hatte der Zollbeamte meinen Pass dann so genau geprüft? Und warum hatte Dad mir nicht erzählt, dass diese Möglichkeit bestand? In den Reiseführern hatte ich ganz sicher nichts darüber gelesen.
    Ich wurde in ein steriles, graugestrichenes Büro geführt, in dem Möbel herumstanden, die aussahen wie Überbleibsel aus einem Schulschlafsaal. Ein merkwürdiger Geruch nach nasser Wolle stieg mir in die Nase. Die beeindruckend große Frau wies auf einen Klappstuhl aus Metall, auf den ich mich setzen sollte, und zog dann einen sehr viel bequemer wirkenden Sessel hinter dem Schreibtisch hervor. Wieder lächelte sie mir zu.
    »Mein Name ist Grace«, sagte sie. Ich war mir nicht sicher, ob das ihr Vor- oder Nachname war. »Ich leite den Grenzschutz, und ich muss Ihnen nur ein paar Fragen über Ihren Besuch in Avalon stellen; dann können Sie gehen.«
    Ich schluckte schwer. »Okay«, murmelte ich. Als hätte ich eine Wahl.
    Grace beugte sich vor, nahm einen kleinen Spiralblock aus einer der Schreibtischschubladen und hielt dann erwartungsvoll einen kunstvoll verzierten silbernen Füller in der Hand. Vermutlich benutzen Feen nicht so gern Kugelschreiber.
    »Was ist der Grund für Ihren Aufenthalt in Avalon?«, begann sie.
    Tja. Ich bin sechzehn Jahre alt – da bin ich wohl kaum auf Geschäftsreise hier.
»Ich bin gekommen, um meine Familie zu besuchen.«
    Sie notierte das rasch und blickte mich dann über den Rand des Notizblockes hinweg an. »Sind Sie nicht ein bisschen zu jung, um ohne Begleitung zu reisen?«
    Unwillkürlich straffte ich die Schultern und setzte mich etwas aufrechter hin. Ja, gut, ich war erst sechzehn, aber
so
jung ist das nun auch wieder nicht. Ich war alt genug, um Zahlungseingänge und -ausgänge auf dem Konto zu prüfen, Rechnungen zu bezahlen und meine Mutter durch die Gegend zu fahren, wenn sie mal wieder zu betrunken war, um
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