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Rosendorn

Rosendorn

Titel: Rosendorn
Autoren: Jenna Black
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Münztelefonen. Da man meiner Mutter nicht vertrauen konnte, den Überblick über Rechnungen oder sonstiges zu behalten, hatten wir ausgemacht, dass ich meine eigene Kreditkarte hatte. Und die benutzte ich jetzt, um in Avalon anzurufen.
    Ich ließ das Telefon in Dads Haus ungefähr zehnmal klingeln, doch niemand nahm ab. Schließlich legte ich auf und biss mir auf die Unterlippe.
    Ich war wegen des ganzen Abenteuers schon aufgeregt genug gewesen. Jetzt war ich am Flughafen Heathrow gestrandet, und mein Dad ging nicht ans Telefon. Dazu kam noch der schreckliche Jetlag, und ich wünschte mir im Moment nichts mehr, als mich in einem kuscheligen, gemütlichen Bett zusammenzurollen und zu schlafen. Ich unterdrückte ein Gähnen – wenn ich erst mal damit anfing, könnte ich nicht mehr aufhören.
    Um 9 : 15  Uhr musste ich mir eingestehen, dass Dads Freund wohl nicht mehr auftauchen würde. Wahrscheinlich ging mein Vater nicht ans Telefon, weil er wie versprochen an der Grenze zu Avalon wartete. Gut, ich musste also nichts weiter tun, als mir ein Taxi zu nehmen, das mich zur Grenze brachte. Und die war nur rund vierzig Kilometer von London entfernt. Kein Problem, oder?
    Ich wechselte etwas Geld und stieg kurz darauf in eines dieser riesigen schwarzen Taxis, die sie in England haben. Es fühlte sich echt komisch an, dass der Fahrer auf der falschen Seite saß, und noch komischer, dass wir auf der falschen Seite der Straße fuhren.
    Mein Fahrer raste wie ein Irrer und redete auf dem Weg zum Südtor von Avalon ohne Punkt und Komma. Ich weiß nicht, was für einen Akzent er sprach – möglicherweise Cockney –, aber ich verstand nur ein Drittel von dem, was er sagte. Zum Glück schien er, bis auf ein gelegentliches Lächeln oder Nicken, keine Antwort zu erwarten. Ich hoffte nur, dass er nicht merkte, wie ich jedes Mal zusammenzuckte und aufstöhnte, wenn er beinahe jemanden zu überfahren schien.
    Wie jeder andere im Universum hatte ich schon viele Bilder von Avalon gesehen. Unzählige Reiseführer widmen sich der Stadt – ich hatte allein zwei in meinem Gepäck –, und in quasi jedem Fantasyfilm, der jemals gedreht wurde, gibt es mindestens eine oder zwei Szenen, die an Originalschauplätzen in Avalon gedreht wurden, weil es wie gesagt der einzige Ort in der Welt der Sterblichen ist, an dem Magie tatsächlich funktioniert. Doch Avalon
wirklich
zu sehen erinnerte mich daran, wie es gewesen war, den Grand Canyon zum ersten Mal zu erleben: Kein Foto der Welt konnte dem gerecht werden.
    Avalon liegt auf einem Berg. Ja, auf einem echten, leibhaftigen Berg. Das Ding ragt aus der flachen, grünen und mit Schafen gespickten Landschaft heraus in den Himmel. Es sieht fast so aus, als hätte ihn jemand aus den Alpen geklaut und wahllos an einen Platz gestellt, an den er auf keinen Fall gehört.
    Häuser, Geschäfte und Bürogebäude bedecken jeden Quadratzentimeter der Berghänge, und eine einzelne Asphaltstraße schlängelt sich vom Fuß des Berges bis hinauf zu einem schlossähnlichen Gebäude, das den Gipfel beherrscht. Es gibt viele kleinere Straßen mit Kopfsteinpflaster, die von der Hauptstraße abzweigen, die als einzige breit genug für Autos ist.
    Der Fuß des Berges ist komplett von einem Graben mit schlammigem, undurchsichtigem Wasser umgeben, um den ein hoher elektrischer Zaun gezogen wurde. Es gibt nur vier Eingänge zur Stadt selbst – in jeder Himmelsrichtung einen.
    Mein Dad sollte mich eigentlich am Südtor in Empfang nehmen. Der Taxifahrer ließ mich am Pförtnerhaus aussteigen – ein dreigeschossiges, sich über einen halben Häuserblock erstreckendes Gebäude –, und ich bekam wieder einen plötzlichen Panikanfall, als ich ihn davonfahren sah. Es war zwar erlaubt, dass Autos die Tore nach Avalon passierten, doch der Fahrer hätte dafür ein Visum benötigt. Den Rucksack über eine Schulter gehängt, zog ich also meinen Koffer durch eine Reihe von Labyrinthen aus Absperrbändern und folgte den Schildern für Besucher. Selbstverständlich waren die Schlangen vor den Schaltern für die Ortsansässigen sehr viel kürzer.
    Als ich endlich an der Reihe war, war ich trotz meiner Angst und Beunruhigung praktisch im Stehen eingeschlafen. Es gab einen kleinen Parkplatz direkt hinter dem Grenzübergang, und wie am Flughafen konnte ich dort Menschen mit Schildern in der Hand stehen sehen. Aber während ich darauf wartete, dass der Zollbeamte mir einen Stempel in den Pass drückte, konnte ich meinen Namen noch
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