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Small World (German Edition)

Small World (German Edition)

Titel: Small World (German Edition)
Autoren: Martin Suter
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    Als Konrad Lang zurückkam, stand alles in Flammen, außer dem Holz im Kamin.
    Er wohnte in der Koch-Villa auf Korfu etwa vierzig Kilometer nördlich von Kerkira. Sie bestand aus einem verschachtelten Gebäudekomplex, der in Kaskaden aus Zimmern, Gärten, Terrassen und Pools zu einer sandigen Bucht abfiel. Ihr kleiner Strand war nur vom Meer aus zugänglich oder mit einer Art Drahtseilbahn, die durch alle Ebenen der Anlage führte.
    Genaugenommen wohnte Konrad Lang nicht in der Villa, sondern im Pförtnerhäuschen, einem kalten, feuchten Maueranbau im Schatten des Pinienwäldchens, das die Einfahrt säumte. Konrad Lang war kein Gast der Villa, sondern so etwas wie ihr Verwalter. Gegen Kost, Unterkunft und eine Pauschale hatte er dafür zu sorgen, daß das Haus auf Abruf für Familienmitglieder und Gäste bereit war. Er hatte die Löhne der Angestellten auszuzahlen und die Rechnungen der Handwerker, die ständig mit Unterhaltsarbeiten beschäftigt waren. Das Salz und die Feuchtigkeit setzten dem Bauwerk zu.
    Um die Landwirtschaft, etwas Oliven, Mandeln, Feigen, Orangen und eine kleine Schafherde, kümmerte sich der Pächter.
    Während der Wintermonate, die stürmisch, regnerisch und kühl waren, hatte Konrad praktisch nichts zu tun, außer einmal am Tag nach Kassiopi zu fahren und sich mit ein paar Leidensgenossen zu treffen, die den Winter ebenfalls auf der Insel verbrachten: einem alten englischen Antiquitätenhändler, der deutschen Besitzerin einer nicht mehr sehr aktuellen Boutique, einem betagten Maler aus Österreich und einem Westschweizer Paar, das ebenfalls auf eine Villa aufpaßte. Sie schwatzten in einem der wenigen Lokale, die außerhalb der Saison offen hatten, und tranken etwas, meistens zuviel.
    Den Rest der Tage brachte er damit zu, sich vor der feuchten Kälte zu schützen, die bis auf die Knochen drang. Die Koch-Villa war, wie viele Ferienvillen auf Korfu, nicht für den Winter gebaut. Das Pförtnerhaus besaß nicht einmal einen Kamin, nur zwei Elektroheizungen, die er aber nicht gleichzeitig einschalten durfte. Sonst sprang die Sicherung heraus.
    So kam es, daß er sich an besonders kalten Tagen und manchmal auch Nächten im Living des untersten Gästetrakts aufhielt. Ihm gefiel es dort, weil er sich an dessen Fensterfront wie ein Kapitän auf der Kommandobrücke eines Luxusliners vorkam: unter ihm ein türkisblauer Pool, vor ihm nichts als das gleichmütige Meer. Dazu kamen die Annehmlichkeiten des gut funktionierenden Kamins und des Telefons. Das Pförtnerhaus war ursprünglich das Personalhaus des untersten Gästetrakts gewesen, und er konnte Gespräche nach hier unten verlegen und so tun, als wäre er da, wo er hingehörte. Die Räume der Villa waren für Konrad nach Elvira Senns Weisungen tabu.
    Es war Februar. Ein stürmischer Ostwind hatte den ganzen Nachmittag die Palmen gezaust und graue Wolkenfetzen vor die Sonne getrieben. Konrad beschloß, sich mit ein paar Klavierkonzerten im untersten Gästesalon zu verkriechen. Er lud etwas Holz und einen Kanister Benzin auf die Drahtseilbahn und fuhr hinunter.
    Das Benzin war nötig, um das Holz in Brand zu setzen. Er hatte vor zwei Wochen eine Ladung Mandelholz bestellt, das lange und heiß brannte, wenn es trocken war. Aber das, was man ihm geliefert hatte, war feucht. Es gab keine andere Methode, es in Brand zu setzen. Nicht sehr elegant, aber sehr wirksam. Konrad hatte es schon Dutzende Male so gemacht.
    Er schichtete ein paar Scheite auf, übergoß sie mit Benzin und hielt ein Streichholz dran. Dann fuhr er in der Drahtseilbahn hinauf, um sich in seiner kleinen Küche zwei Flaschen Wein, eine halbvolle Flasche Ouzo, Oliven, Brot und Käse zu holen.
    Auf dem Rückweg lief er dem Pächter über den Weg, der ihm eine Stelle an der Mauer zeigen wollte, wo der Salpeter den Verputz zerfressen hatte.
    Als Konrad Lang wieder nach unten fuhr, kam ihm Rauch entgegen. Er schrieb das dem Wind zu, der von einem ungewöhnlichen Winkel vom Meer her in den Kamin blies, und machte sich keine Gedanken.
    Aber als die Kabine im untersten Gästetrakt hielt, stand alles in Flammen außer dem Holz im Kamin. Es war eines jener Mißgeschicke, die einem passieren, wenn man in Gedanken ist: Er hatte die Scheite in den Kamin geschichtet, aber dann den Stoß neben dem Kamin in Brand gesetzt. Die Flammen hatten während seiner Abwesenheit auf die indonesische Rattan-Sitzgruppe und von dort auf die Ikats an den Wänden übergegriffen.
    Vielleicht wäre der Brand noch
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