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Alta moda

Alta moda

Titel: Alta moda
Autoren: Magdalen Nabb
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Die Modedesignerin Olivia Birkett hat es in der italienischen Alta moda zu einer eigenen Kollektion gebracht. Für reich gehalten, wird Olivia entführt. Ein Fall für Maresciallo Guarnaccia. Er versucht die Kinder der Vermissten zu beruhigen. Der Tochter scheint das Verschwinden ihrer Mutter allerdings nicht ungelegen zu kommen. Allzu schnell versucht sie, deren Platz in der Firma einzunehmen.
    1
    Ich gebe mir ja die größte Mühe und will Ihnen auch alles sagen, aber vielleicht wird das, was ich mir gemerkt habe, Ihnen gar nicht weiterhelfen. Als nächstes haben sie mir jedenfalls die Uhr abgenommen, und da ich weder sehen noch hören konnte, war meine Wahrnehmung zeitweise ziemlich verschwommen, und wer weiß, ob mir nicht Minuten oder Tage, vielleicht sogar Wochen abhanden gekommen sind.
    An den Überfall erinnere ich mich allerdings genau, schon weil ich mir den in den ersten Tagen wohl tausendmal ins Gedächtnis gerufen und darüber nachgegrübelt habe, was ich hätte tun, wie ich mich hätte verhalten sollen. Oder ich habe mir den Anschlag so zurechtphantasiert, daß ich entkam, sei es, weil ich um Hilfe schrie, weil zufällig ein Passant zur Stelle war oder weil Leo mir entgegenkam – das tat er nämlich manchmal. Ich vertrieb mir die Zeit mit solchen Phantasmagorien, die freilich an meiner unglücklichen Lage ebenso wenig änderten wie an dem Geschehen jener Nacht. Als ich Tessie an dem Abend ausführte, ging ein eisiger Wind. Ich habe das Brausen noch in den Ohren und den Krach, mit dem hin und wieder ein herabstürzender Dachziegel auf dem Pflaster zerschellte oder ein schlechtgesicherter Fensterladen aufsprang. Tessie zerrte so stürmisch an der Leine, wie sie das ständig tut. Mich verblüfft es immer, wie sie mit ihren Säbelbeinen so ein Tempo vorlegen kann. – Sie haben so lange auf sie eingeschlagen und sie getreten, bis sie laut aufjaulte. Aber darüber mag ich nicht sprechen.
    Wir kamen eben zurück auf unsere Piazza, ich wollte schon das Tor aufstoßen… und dann… Filmriß.
    Im Dunkeln rotierte etwas dicht vor meiner Nase, das aussah wie die Flügel eines Ventilators, und der ganze Globus schien sich mitzudrehen. Ich verspürte einen heftigen Brechreiz, bekam auch keine Luft mehr. Es roch nach Chloroform, also glaubte ich, ich sei im Krankenhaus und würde gerade, frisch operiert, aus der Narkose aufwachen. Hier ist doch sicher ein Kübel, in den ich mich übergeben kann, dachte ich noch, und dann muß ich wieder ohnmächtig geworden sein.
    Ich weiß, wie fatal dieser Ausfall für Sie ist, weil ich Ihnen nicht sagen kann, wie lange ich schon in dem Auto war, als ich wieder zu mir kam. Jedenfalls fand ich mich auf dem Boden zwischen Vorderund Rückbank eingeklemmt wieder, das Gesicht in die Fußmatte gepreßt, Nase und Mund von Staub und Fusseln verklebt. Durch das Beben der Karosserie unter mir erriet ich, daß der Wagen mit hohem Tempo fuhr, wahrscheinlich auf der Autobahn, denn es ging immer geradeaus. Ich war mit irgend etwas zugedeckt, ich glaube, es war eine Lederjacke, und sie stank nach Schweiß und säuerlichem Fett. Als ich sie abstreifen wollte, weil ich darunter keine Luft bekam, merkte ich, daß meine Hände auf dem Rücken gefesselt waren.
    »Ich halt das nicht aus! Ich ersticke, wenn Sie mir das nicht vom Kopf nehmen!«
    Die Antwort war ein brutaler Tritt in die Rippen. Über mir saß jemand, die Füße auf meinen Körper gestemmt. Ich versuchte, den Kopf zu heben.
    »Ich muß doch atmen können! Bitte!«
    Er trat gegen meinen Kopf und knurrte: »Das Luder kommt zu sich.« Erst ein Rascheln, dann hörte es sich an, als ob ein Stück Stoff entzweigerissen würde. Der hinter mir zerrte mich an den Haaren hoch, und seine Stimme drang mir direkt ins Ohr.
    »Untersteh dich ja nicht noch mal, mich herumzukommandieren. Hörst du? Du bist hier nicht in deinem protzigen Palazzo. Hier bestimme ich, kapiert?«
    »Ja…«
    Er schob mir die Stiefelspitze unters Kinn und zog meinen Kopf näher zu sich heran. Dann klatschte er mir ein breites Pflaster über den Mund und drückte es fest, ehe er meinen Kopf wieder zu Boden stieß und noch enger in die übelriechende Jacke wickelte. Vor Angst war ich wie von Sinnen. Ich hatte den Mund voll Dreck, und das Pflaster zwang mich, den unerträglichen Gestank tief durch die Nase einzuatmen. Völlig entnervt begann ich zu schreien, oder vielmehr: Ich versuchte es, aber die Schreie blieben mir im Halse stecken, und ich brachte nichts als ein
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