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Alta moda

Alta moda

Titel: Alta moda
Autoren: Magdalen Nabb
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einen, der sich nie hatte krummlegen müssen, dem alles in den Schoß gefallen war? Einen echten Kapitalisten, dem gegenüber solche Typen sich gerechtfertigt wähnen mit ihrem Haß und ihren Rachegelüsten. So eine bin ich nicht! wollte ich sagen und ihnen erklären, daß ich früher arm gewesen war und mich mächtig hatte ins Zeug legen müssen, um meine Kinder großzuziehen, und daß ich viele Jahre wirklich hart gearbeitet hatte. Sollte es mir denn nicht vergönnt sein, zwischen den Sorgen der Armut und den Problemen des Erfolgs wenigstens für ein paar Jahre zur Ruhe zu kommen? Es war geradezu lachhaft, daß ich einer Entführung zum Opfer fiel, bevor ich auch nur Zeit gehabt hatte, meine restlichen Schulden abzuzahlen.
    Aber ich traute mich nicht, den Mund aufzumachen, und selbst wenn, was hätte das schon gebracht? Sie hatten mich als reiches Luder abgestempelt, und das Stigma mußte mir, im Interesse ihres guten Gewissens, auch bleiben. Das ist die reine Wahrheit, ehrlich! Sie würden’s nicht glauben, was für Predigten die mir in den kommenden Wochen hielten, bloß um ihre Habgier und Grausamkeit zu rechtfertigen.
    Jedenfalls wagte ich nichts zu sagen, sondern marschierte gehorsam weiter. Unter dem Schaffellmantel schwitzte ich bald vor Anstrengung, während mein Kopf und vor allem die Ohren vor Kälte brannten. Die Hände waren wie abgestorben, so daß ich zwischenzeitlich gar nicht mehr wußte, ob ich noch Kontakt mit dem Rucksack hatte. Eine Weile versuchte ich, die Rechte in der Manteltasche zu wärmen, aber ich brauchte sie ja, um das Gleichgewicht zu halten und um, wenn ich ausglitt, nicht in den drohenden Abgrund zu meiner Rechten zu stürzen. Jedesmal, wenn ich strauchelte, schlugen die Männer auf mich ein. Obwohl wir den ganzen Tag unterwegs waren und es, wie mir schien, immerzu bergauf ging, machten wir nicht ein einziges Mal Rast. Ich spürte ihre Nervosität, ja Angst. Irgend etwas stimmte nicht. Diese Bemerkung, als sie mich am Morgen zum erstenmal im Hellen gesehen hatten… Vielleicht war meine Vermutung doch richtig. Sie hatten einen Fehler gemacht, und ich war überhaupt nicht die, auf die sie es abgesehen hatten. Womöglich führten sie mich jetzt meilenweit im Kreis herum, damit ich die Orientierung verlor, und dann würden sie mich irgendwo in der Nähe einer Ortschaft freilassen. Schließlich hatte ich keinen von ihnen zu Gesicht bekommen, konnte sie also auch nicht identifizieren. Sie hatten nichts von mir zu befürchten.
    Ohne anzuhalten, langte mein Hintermann über mich weg nach dem Rucksack, zog etwas heraus und drückte mir eine Plastikflasche in die Rechte.
    »Können wir nicht einen Moment stehenbleiben? Ich hab Angst, daß ich sonst hinfalle.«
    »Geh weiter!« Kaum hatte ich einen Schluck getrunken, da mußte ich aufstoßen und sabberte unwillkürlich meinen Kragen voll. Vielleicht weil ich so lange nichts mehr gegessen hatte. Der Mann gab mir eine Scheibe trockenes Brot und ein Stück Käse. Es schmeckte gut, besonders der Käse, kroß und salzig. Aber als ich einen Mundvoll gekaut hatte und hinunterschlucken wollte, mußte ich wieder aufstoßen, und mein Magen zog sich zusammen – wie wenn man brechen muß oder dagegen ankämpft –, so als wolle er mit Gewalt jede Nahrung verweigern. Ich versuchte es weiter, denn ich konnte nicht glauben, daß meine psychische Verfassung über eins der elementarsten leiblichen Grundbedürfnisse triumphierte. Wo es doch eigentlich genau umgekehrt sein müßte, oder? Schließlich behielt ich ein paar zerkaute Bissen im Mund, bis sie sich so weit aufgelöst hatten, daß der Speichelfluß sie nach und nach mit hinunterspülen mußte. Auf diese Weise brachte ich es auf sechs, sieben Happen, und als er mir die Flasche an die Lippen hielt, trank ich ein paar Schluck Wasser hinterher. Ich mußte doch alles tun, um bei Kräften zu bleiben. Inzwischen war ich fest davon überzeugt, daß sie sich geirrt hatten und mich bald wieder laufenlassen würden. Ich mußte ihnen bloß bedingungslos gehorchen. Also berührte ich den Rucksack vor mir nur ganz behutsam mit der flach ausgestreckten Linken, senkte den Kopf noch tiefer und setzte vorsichtig einen Fuß vor den anderen, damit ich die beiden nicht durch abermaliges Stolpern reizte; vor allem aber, weil ich nach meiner Freilassung mit einem langen Fußmarsch rechnete, den ich mir nicht durch eine unbedachte Verletzung zusätzlich erschweren wollte.
    Der Rucksack blieb stehen und ich mit. Ich hörte
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