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026 - Stadt der Untoten

026 - Stadt der Untoten

Titel: 026 - Stadt der Untoten
Autoren: Claudia Kern
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»Ruhe!«
    Colombs Stimme erhob sich über das Rülpsen, Grunzen, Schmatzen und Scherzen der Männer. Obwohl das Tageslicht erst zaghaft durch die Fenster des Saals drang, herrschte im Inneren schon eine Stimmung wie bei einem Gelage.
    Die ehemalige Besatzung der Santanna war daran gewöhnt, in der Morgendämmerung aus den Kojen geworfen zu werden, und behielt diesen Rhythmus auch an Land bei. Die Leidtragenden waren die Küchenmädchen und Dienstboten, die mit schlafverquollenen Augen durch den Essenssaal schlurften und das Frühstück auftischten.
    Der lange Holztisch bog sich unter Bergen von Siilfleisch, dunklem Brot und geräuchertem Fisch. Dazwischen standen Krüge mit dünnem Bier und dampfende Teekessel.
    Commander Matthew Drax stocherte lustlos in dem tranig-fettigen Fleisch herum. Das Tier, von dem er annahm, dass es vor seinem Ableben eine Art Seehund gewesen war, roch nach altem Fisch und war abgesehen von einer großzügigen Menge Salz völlig ungewürzt.
    Der Tee, mit dem er den unangenehmen Geschmack herunterspülen wollte, barg die nächste Überraschung, denn das, was er naiverweise für Milch gehalten hatte, stellte sich als ranzig schmeckende Butter heraus.
    Die Fettaugen hätten mich warnen sollen, dachte Matt und erinnerte sich wehmütig an eine Welt, in der das Frühstück aus Cornflakes, Kuhmilch und Kaffee bestanden hatte. Aber das war vorbei. Es gab keine Cornflakes mehr - ebenso wenig wie Kühe…
    Um ihn herum wurde es allmählich leiser. Die Männer legten die Messer beiseite, die sie anstelle der bereitgelegten Gabeln zum Essen benutzten, und wischten sich die fettigen Hände an der Kleidung ab. Die wenigsten von ihnen hatten je Servietten oder Gabeln gesehen, und während erstere einfach ignoriert wurden, erfreuten sich die Gabeln großer Beliebtheit, denn man konnte sie nichtsahnenden Tischnachbarn in den Hintern stoßen.
    Matt hielt es für ein kleines Wunder, dass bisher alle das Frühstück überlebt hatten.
    Colomb räusperte sich und stand auf. »Ich habe gestern Abend lange mit dem Maa'or gesprochen und möchte euch zwei Neuigkeiten mitteilen.«
    Matt unterdrückte ein Gähnen. Er hatte an dem Gespräch mit dem Bürgermeister der Stadt New York - die jetzt Nuu'ork hieß - teilgenommen und wusste, was der Kapitaan sagen würde.
    »Die erste ist, dass der Maa'or heute ein Fest für uns veranstalten wird.«
    Begeistertes Grölen unterbrach Colomb, der die Gelegenheit nutzte, um einen Schluck Bier zu trinken.
    »Er feiert dieses Fest«, fuhr er dann fort, »um Maddrax für die Rettung seiner Stadt zu danken [1] und uns zu verabschieden.«
    Nach diesen Worten herrschte Schweigen. Einige senkten die Köpfe, während andere resigniert nickten, als hätten sie mit nichts anderem gerechnet.
    »Der Maa'or hat wohl Angst, dass wir ihm die Vorratskammer leer fressen«, warf Kunee ein. Er war ein junger Matrose, der so entsetzlich schielte, dass er nie in den Ausguck musste. Dafür gab es aber niemanden, der schneller in den Wanten war als er.
    Colomb lächelte knapp. »Nicht ganz zu Unrecht, wie mir scheint. In jedem Fall hat mich der Maa'or vor den Frühjahrsstürmen gewarnt, die schon bald einsetzen werden. Wenn wir bis dahin nicht weg sind, sitzen wir vielleicht wochenlang hier fest. Deshalb habe ich beschlossen, dass wir morgen bei Sonnenaufgang die Stadt verlassen.«
    »Womit sollen wir die Stadt verlassen, Sir?«, sagte Kuki, der Schiffskoch stirnrunzelnd. »Die Santanna ist zerstört.«
    »Das ist richtig«, stimmte der Kapitaan zu, »und diese Frage bringt mich zu meiner zweiten Neuigkeit, denn der Maa'or hat uns in seiner Großzügigkeit ein Schiff geschenkt, das sowohl auf dem Eis als auch im Wasser fahren kann.«
    Bevor neuer Jubel einsetzen konnte, hob Colomb die Hand. »Aber es ist zu klein, um uns nach Hause zu bringen.«
    Der Aufschrei der Entrüstung, den Matt erwartet hatte, blieb aus. Die Besatzung reagierte kaum auf die Enthüllung. Nur Yuli, die als Prostituierte auf dem Schiff gearbeitet hatte, sah mit einem Gesichtsausdruck auf, der beinahe erleichtert wirkte.
    Den Kapitaan schien die fehlende Resonanz nicht zu wundern. Er sprach ungerührt weiter: »Aus diesem Grund habe ich entschieden, nach Süden zu fahren, um neue Handelsrouten für die Stadt Nuu'ork zu finden. Ich weiß, dass ich viel von euch verlange, deshalb werde ich keinen dazu zwingen.«
    Er machte eine kurze Pause und drehte nervös die Serviette zwischen den Fingern. Matts Aufmerksamkeit kehrte zurück. Was
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