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Alta moda

Alta moda

Titel: Alta moda
Autoren: Magdalen Nabb
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Finsternis, die einen nicht nur am Sehen hindert, sondern die als machtvolle Naturgewalt ein gefährliches Eigenleben entwickelt und einen mit der Zeit in Wahnvorstellungen treibt. Weil er keine Informationen mehr empfängt, beginnt der Verstand, welche zu erfinden, gaukelt uns tanzende Lichtreflexe vor und gespenstische Schatten, die einen so ungestüm anfallen, daß man sich unwillkürlich ducken möchte. Ganz ähnliche Streiche spielt einem das menschliche Hirn übrigens bei lautloser Stille. Man halluziniert Geräusche, Stimmen, egal was, solange es nur das unerträgliche Vakuum füllt.
    Ich hatte mir vorgenommen, meine Gedanken zu ordnen, wollte mein Leben überdenken und von ihm Abschied nehmen. Wahrscheinlich ging es mir darum, gewissermaßen meine Würde zurückzugewinnen, aber die quälenden, sinnverwirrenden Streiche, die mir mein Kopf spielte, ließen das nicht zu. Atembeklemmungen taten ein übriges. Wie groß war diese Höhle eigentlich? Wieviel Luft hatte ich zur Verfügung? Hatten die Entführer den Eingang verrammelt? Ersticken, das wäre die grausamste Todesart, die ich mir vorstellen könnte. Nicht, daß ich an Klaustrophobie leiden würde, aber ich bin zum Beispiel nie eine sonderlich gute Schwimmerin gewesen, weil ich den Kopf nicht unter Wasser halten kann. Mein Sohn hat sich darüber immer lustig gemacht und ist oft hinter mir hergeschwommen, um mich nachzuäffen, wenn ich mit langgestrecktem Hals angepaddelt kam wie eine Ente. Letztlich war es die Angst vor dem Ersticken, die mich auf Trab brachte. Auf die linke Hand gestützt, setzte ich mich auf und tastete meine unmittelbare Umgebung ab. Und siehe da, die Erfahrung, daß zumindest meine Hand die erdrückende Finsternis zu durchbrechen vermochte, sie half. Hinter meinem Kopf ertastete ich die Mauer mit der Wasserflasche und den übrigen Sachen und über mir die Höhlendecke, nach vorn und zu den Seiten stieß ich dagegen ins Leere. Weiter auf die freie Linke gestützt, hangelte ich mich auf Knien an der Kette vorwärts. Und bald schlug mir aus dem leeren Raum ein schwacher Luftzug entgegen. Wo Luft hereinkam, da mußte auch Licht eindringen können. Ich kroch zurück auf die Matratze und begann nachzudenken. Darüber wurde ich ruhiger. Mit selbst erzeugten Vorstellungen und Gedanken verdrängte ich die halluzinatorischen Ausgeburten der schwarzen Finsternis ringsum. Und auch die Initiative vorhin, der kleine Erkundungsgang, wirkte aufbauend. Also machte ich nach dem Rezept weiter. Erst benutzte ich die Bettpfanne, die ich mit der linken Hand ziemlich ungeschickt handhabte, dann wischte ich mich mit einem Stück Toilettenpapier ab, schob anschließend die Bettpfanne nach links und griff nach der Flasche. Die ließ sich mit einer Hand nur schwer halten, und ich verschüttete reichlich Wasser auf der Matratze, bevor es mir gelang, ein paar Schluck zu trinken. Obwohl ich entsetzlich fror, hatte ich einen brandheißen, trockenen Mund und aufgesprungene Lippen, wie eine Fieberkranke. Das Wasser war wunderbar erfrischend und köstlich! Nicht nur, daß es den Durst stillte, es schmeckte auch so vorzüglich wie der erlesenste Weißwein. War der Griff zur Flasche zuerst nur Beschäftigungstherapie gewesen, so merkte ich jetzt, wie durstig mich der Fußmarsch und die qualvollen Stunden der Angst gemacht hatten. Jeder Schluck beflügelte mich – weil es so gut schmeckte und weil das Wasser ein Omen war. Wenn sie mich hier umkommen lassen wollten, hätten die Entführer mir dann Wasser hingestellt? Oder eine Bettpfanne und sogar Toilettenpapier? Wenn es Sie wundert, daß ich aus einem Schluck Wasser Hoffnung schöpfen konnte, um wieviel schwerer werden Sie da erst die Ungeduld verstehen, mit der ich die Rückkehr meiner Entführer erwartete. Allein, es war so, und dann, wie um mich in meiner Zuversicht zu bestärken, dämmerte der Morgen. Nach und nach erkannte ich den blassen Umriß meiner Hand, bizarre Felsblöcke ringsum, den großen Eisendübel, an dem meine Kette befestigt war, den Gang, der nach draußen führte. Richtig hell wurde es so tief im Innern der Höhle natürlich nicht, aber daraus, daß immerhin genügend Licht hereindrang, um meine Umgebung zu erkennen, schloß ich, daß draußen ein schöner Tag angebrochen war. Der Gedanke belebte mich vollends wieder. Mit einem flachen Stein, den ich vom Boden aufgelesen hatte, kauerte ich mich auf die hinterste Ecke der Matratze und ritzte etwas in die Mauer – eine Botschaft, von der ich wußte,
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