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Feucht

Feucht

Titel: Feucht
Autoren: Sophie Andresky
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Die Zucchini bin ich !
    Ich bin Sängerin, eine gute, eine echte, keine, die sich in der Fußgängerzone von Bronchitis zu Lungenentzündung singt, sondern eine, die richtige Events hat. Das heißt Studio-Events. Fans gibt's da eher weniger. Meistens sieht man nur den Typen hinterm Mischpult, und vorher erklärt einem kurz einer, was man machen soll, also ich flippe da nicht auf einer Bühne rum, zeige meinen Hintern und werde mit Plüschbärchen gesteinigt. Ich habe für eine Künstlerin ziemlich geregelte Arbeitszeiten, und ich bin eine Künstlerin. Nein, Plakate gibt's keine, doch, Plakate gibt's schon, aber da steht dann nicht mein Name drauf, sondern eher «Knackzart und würzig» oder «immer frisch auf den Tisch». Ich singe nämlich Werbesongs.
    Ja, was anderes war nicht zu kriegen nach der Musikhochschule, da hat man einen astreinen Tremolo-Alt, und dann macht man auch ein paar Gigs, aber die Kohle reicht hinten und vorne nicht, und die ganzen Penner war ich auch leid. Dann lieber Studio. Da ist es geheizt, und man weiß, was man tut, und man hört mich jeden Tag im Fernsehen: «Suppe wie von Oma ist das einzig Wahre, Omas Suppe wie ich drauf abfahre, frische Krauter allerlei, Omas Suppe macht mich high.» Jawoll, das ist von mir. Also nicht der bescheuerte Text, aber die Stimme. Oder: «Frickenstein kocht die Karotte, o wie freut sich da die Lotte.» Dosengemüse ist nicht gerade das, was mich so richtig heiß macht, aber immer noch besser als Fleischreklame.
    Erstens bin ich Vegetarierin, und dann haben die Leute, die Fleischreklame machen, echt alle einen Schaden. Die unterbrechen dauernd die Aufnahme, stürmen rein und schreien, dass es fleischlicher klingen soll, wurstiger, appetitlicher, ja fang damit mal was an, ich hab einen Tremolo-Alt im Hals, keine gepökelte Schwarte. Trotzdem bin ich immer wieder froh, wenn ich einen Job habe, in einer klammen Einzimmerbude rumhängen ist echt nicht mein Ding. Nur diese ständigen Zugfahrten und die runtergekommenen Hotels, die machen mich fertig-
    Ich ahnte auch schon das Schlimmste, als mein Agent, den ich heimlich meinen «Zuhälter» nenne, weil er es am liebsten sähe, wenn ich rund um die Uhr Spargel und Ananas besänge, als er mich also anrief mit dem üblichen Spruch: «Xenia, hab 'n Job für dich.» Nach Frankfurt sollte ich kommen zur Aufnahme. Frankfurt, das ist da, wo sich die Fixer tagsüber am Bahnhof ungeniert einen abdrücken und der einzige halbwegs sichere Ort für dich und deine Handtasche die Gefriertruhe im nächsten McDonald's ist. Ich war begeistert. Aber natürlich hab ich angenommen, obwohl es schon wieder eine Dosensuppe war.
    Ich denk halt immer noch, da kommt zufällig einer vorbei, ich steh so im Studio und singe was Klassisches, nicht um mich einzuölen, sondern einfach um mal zu hören, wie das über Kopfhörer so klingt, und er, also der, der da kommen soll, kommt einfach rein, hört mich und nimmt mich sofort mit ins nächste Stadttheater. Oder zumindest in einen renommierten Jazzschuppen, ich bin ja flexibel. Leider passiert so was abartig selten.
    Und ich nöle wieder einen vollen Nachmittag « Soll der Braten lecker sein, wirf Butti in die Pfanne rein». Diesmal sollte der «Event», jaaa sorry, aber ich muss das so nennen, sonst geht mir der letzte Rest Selbstachtung verloren, diesmal sollte er sogar über zwei Tage gehen, weil verschiedene Versionen aufgenommen werden sollten. Das bedeutete nicht nur Stinkezug, sondern auch Stinkehotel. Hotel La Barraque, Zur lebenden Kakerlake, ist da vielleicht noch irgendeine Waschküche für eine Sängerin frei, muss auch keine Heizung drin sein, frische Handtücher sind auch nicht nötig. Göttin, die Produzenten verwechseln uns echt immer mit Wohnmasochisten.
    Das andere, was mich schon im Vorhinein total abturnte, waren die Kollegen. Das Ganze sollte ein Chor werden. Jeder ein Gemüse aus dem Eintopf, wieso, hab ich gesagt, da nimmt man eine Stimme für heißes Wasser und eine für Mehl und Salz, fertig ist das Duett, mehr ist in diesen Dosen doch eh nicht drin. Echt, in meinem nächsten Leben werd ich Schriftstellerin, ich sag's: Geil, keine Kollegen, keine Vorgesetzten, jedenfalls nicht so richtig, aber es half ja alles nichts. Der Event ging an drei Sängerinnen und zwei Typen. Todes, ich sag's, die sahen schon voll aus wie diese Dosenpampe. Ich dachte lieber nicht darüber nach, wieso ich eigentlich für die Zucchini prädestiniert war.
    Astrid, die den Spargel singen sollte, war
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