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Cleopatra

Cleopatra

Titel: Cleopatra
Autoren: Felix Thijssen
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    Manche Aufträge riechen schon von vornherein nach viel Aufwand für ein mageres Ergebnis. Dieser Geruch nach Routinearbeit und Paranoia hing schon in meinem Büro, bevor Bernard Meulendijk den Mund aufgemacht hatte. Sein Gesicht war undurchdringlich wie immer, doch ich kannte ihn lange genug, um die Zeichen deuten zu können. So gab mir schon die Art und Weise zu denken, wie er sich umständlich auf dem rissigen Leder meines Besucherstuhls niederließ oder wie er zögerlich – fast wie einstudiert – mit seinen knochigen Fingern am Schloss seiner Tasche herumfummelte, als sei es erst an diesem Morgen neu angebracht worden und verursache unerwartete Komplikationen.
    Ich dachte mir, dass ich besser mit Marga in einen unbeschwerten Urlaub zum Beispiel nach Trinidad geflogen wäre, so dass Bernard gezwungenermaßen einem anderen seiner freien Mitarbeiter diese Mordsache, die fünfzehn Jahre zurücklag, hätte aufhalsen müssen, und zwar inklusive des ›kleinen Hakens‹, wie er es nannte.
    »Was meinst du mit einem kleinen Haken?«, wollte ich wissen.
    »Na ja …« Bernard hat graue Augen und die irritierende Angewohnheit, auf einen Punkt über den Augenbrauen seines Gegenübers zu starren. Sowie einen nervtötenden Mangel an Humor. Vielleicht wird man so, wenn man sein Leben lang Beamter ist, aber das ist natürlich ein Vorurteil. Ich kenne auch nette Beamte.
    »Woher weißt du, dass es Mord war?«
    »Was sollte es denn sonst sein? Unter einem Tennisplatz …«
    »Gibt es Spuren von Gewalt? Ein Loch im Schädel? Gevierteilt?«
    Bernard erkennt auch nicht den Unterschied zwischen einer echten Frage und einem Witz.
    »Der Schädel fehlt«, antwortete er trocken. »Die Hände auch. Der Rest ist intakt, insofern als …«
    Außerdem hat er die Angewohnheit, in unvollständigen Sätzen zu sprechen. Insofern als die Würmer, der Bulldozer oder Gottes Hand …
    Er ist Mitte sechzig, trägt dunkelgraue Anzüge und ist durch und durch kalvinistisch. Ein großer, nüchterner Mann mit unpassend wirkendem schwarzem Haar, das durch einen schnurgeraden Mittelscheitel in zwei Hälften an beiden Seiten des Schädels klebt.
    »Hier steht alles drin, was du brauchst.«
    Bernard war früher Staatsanwalt und verhält sich noch immer wie ein hoher Beamter, der von niedrigen Beamten umgeben ist. Theoretisch brauche ich keine Aufträge von ihm anzunehmen. Ich bin kein Beamter. Ich kann jederzeit nein sagen, doch heute Morgen hatte mich die Post gerade wieder daran erinnert, warum ich nicht am Strand von Trinidad lag. In einem Anflug hoch gesteckter Erwartungen hat mir meine Bank eines Tages einen Dispokredit von zehntausend Gulden gewährt. Und den schöpfe ich auch meistens aus, obwohl Bernards Firma anständig zahlt und bei den Spesen auch nicht knauserig ist; jedenfalls nicht, solange man bei der Abrechnung seine angeborene Neigung unterdrückt, einfache und gerundete Beträge einzutragen. Das Büro mag Zahlen wie 1.214,93.
    Ich betrachtete die gewohnt dünne Akte in seiner Hand. Diese Akten sind immer ›vertraulich‹, genau wie mein Vertrag als freier Mitarbeiter.
    »Was sagt die Polizei?«
    »Zuständig ist die örtliche Kriminalpolizei …«
    Ich wartete. Manchmal half das.
    »Es geht um das Haus von Cleveringa«, sagte Bernard schließlich. »Ich meine da, wo sein Tennisplatz ist. War. Die Arbeiten sind unterbrochen worden.«
    Ich hatte natürlich von der Sache gelesen und verstand, was er mit dem kleinen Haken meinte. Bis die Opposition an die Regierung kam, hatte Cleveringa zehn Jahre lang das Amt des Außenministers bekleidet. Wahrscheinlich hatte er inzwischen seine diplomatische Immunität verloren, doch er wird noch immer als der ›Herr Minister‹ angesehen und spielt auch heute noch eine wichtige Rolle in der Politik. Er kennt die ganze Welt und berät halb Europa.
    »Kommen die Justizbehörden nicht selbst damit zurecht?«
    »Sie gehen vorsichtig damit um. Meine Firma wurde gebeten …«Er legte die Akte auf meinen Schreibtisch.
    Ich ließ sie noch einen Moment liegen. »Die Sache mit dem Kopf und den Händen erinnert mich an jemanden.«
    »Da bist du nicht der Einzige.«
    »Dieser Jemand sitzt allerdings schon lange hinter Schloss und Riegel. Gehe ich recht in der Annahme, dass wir einen Kunden haben, der sich nicht mit den offensichtlichen Tatsachen zufrieden geben will? Worum genau hat er die Firma gebeten?«
    Bernard machte eine abweisende Handbewegung, als hege auch er in dieser Angelegenheit nicht
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