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Cleopatra

Cleopatra

Titel: Cleopatra
Autoren: Felix Thijssen
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sind in guten Händen.«
    »Hat das Ehepaar Kinder?«
    »Nein. Sie waren gerade frisch verheiratet, als Tom seine Arbeitsstelle hier antrat. Ich glaube, es gehörte zu den Bedingungen, verheiratet zu sein.«
    »Also ist Glinka die Einzige, die schon zur Zeit des Flugzeugunglücks hier war?«
    »Ja.«
    Ich schlug mein Notizbuch wieder zu und steckte es weg. »Ich würde mich gerne mit ihr unterhalten, wenn Sie nichts dagegen haben.«
    »Selbstverständlich.« Helene stand auf und drückte wieder auf den Knopf. »Ich kann Ihnen nicht vorschreiben, wo Sie zu suchen haben und wo nicht«, sagte sie. »Aber ich hoffe wirklich, dass die Justizbehörden recht bald die Identität dieser Dame aufklären. Dann können Sie Ihre Notizen zerreißen.«
    Bevor ich ihr darauf antworten konnte, kam das Dienstmädchen herein.
    »Eis, der Herr möchte Glinka sprechen. Zeigen Sie ihm bitte den Weg?«
    »Ja, Mevrouw.«
    Ich überreichte Helene meine Karte mit der üblichen Bemerkung, sie könne mich jederzeit anrufen, falls ihr noch etwas einfiele.
    »An Ihrer Stelle würde ich nicht damit rechnen«, sagte Helene.
    Sie war einfach eine nette, äußerst wohlerzogene Dame. Ich verspürte ihr gegenüber keinerlei Anflug von Feindseligkeit. Sie schaute kurz auf die Karte, auf der nur mein Name und meine Telefonnummer sowie Fax- und Handynummer angegeben waren. Sie schien sich nicht darüber zu wundern, dass nicht ›Kriminalkommissar‹ darauf zu lesen war, als würde auch sie so etwas nicht hinter ihrem Namen stehen haben wollen. Sie legte die Karte auf das Büfett, wo die Putzfrau sie wohl wegräumen würde.
    »Glinka?«, fragte ich.
    »Meine Mutter liebte Musik«, erwiderte sie wenig entgegenkommend. »Aber deswegen wollten Sie mich doch wohl nicht sprechen?«
    Glinka wirkte wie eine Figur aus einem Tolstoi-Roman oder auch aus der Oper ihres Namensvetters, des russischen Komponisten von: Das Leben für den Zaren. Ihr Alter war ebenso schwer zu schätzen wie das der zeitlosen russischen Bäuerin. Sie war groß und mollig, mit einem Busen, der üppig genug schien um neben einem Dutzend eigener Kinder auch die Sprösslinge des Gutsherrn gestillt zu haben. Sie trug ein langes blaues Kleid und als einzigen Schmuck eine silberne Brosche. Das graue Haar hing ihr in einem erstaunlich gesunden, dicken geflochtenen Zopf auf dem Rücken.
    Die Küche war groß, mit einer Zimmerdecke, die auf schweren ochsenblutroten Balken ruhte und ausgestattet war mit einer ganzen Batterie gusseiserner Öfen, einem riesigen Ess- und Arbeitstisch für das Personal, Reihen von Töpfen und Pfannen, schimmerndem Kupfer an den Wänden und verschiedenen Vorratsschränken. Glinka war die Herrscherin in diesem Reich. Nachdem ich mich vorgestellt hatte und das Dienstmädchen verschwunden war, zog Glinka einen Stuhl am Tischende ein Stück zurück und hielt die Rückenlehne mit beiden Händen fest. »Setzen Sie sich.«
    »Ich werde Sie nicht lange stören«, versprach ich.
    »Sie stören mich nicht.«
    »Ich versuche herauszufinden, was hier vor fast zwanzig Jahren geschehen ist«, sagte ich. »Sie waren doch damals schon im Haus?«
    »Möchten Sie Tee?«
    »Nein, danke.«
    »Von mir bekommen Sie keinen Cognac.« Glinka ließ den Stuhl los, so dass ich mich hinsetzen konnte, ohne dass mich die Hände in meinem Nacken nervös machten. »Und Klatsch werden Sie von mir auch nicht zu hören bekommen.« Sie setzte sich kerzengerade auf einen Stuhl an der langen Seite des Tischs und legte die Hände gefaltet auf die sauber geschrubbte Tischplatte.
    »Es geht mir nicht um Klatsch«, sagte ich. »Aber Sie haben doch die erste Ehefrau gekannt, Cleopatra.«
    »Ja.«
    »Was war sie für ein Mensch?«
    Einen Moment lang schloss sie die Augen und sagte dann: »Ich konnte mich nicht beklagen. Sie tat ein wenig von oben herab, anders als Mevrouw Helene. Später wurde es besser, weil ich für Lonneke sorgte.« Bei der Erwähnung von Lonneke leuchteten ihre kastanienbraunen Augen auf.
    »Sie sprechen gut Niederländisch«, bemerkte ich.
    »Ich habe Kurse besucht. Vor langer Zeit.«
    »Waren Sie nie verheiratet?«
    Sie ignorierte meine Frage. »Ich bin eine alte Frau. Lonneke … Ich freue mich darauf, dass sie wieder nach Hause kommt. Es ist so still hier im Haus. Ich mag auch ihre Kinder gern.« »Aber es kommen doch sicher häufig Gäste hierher?«
    »Nicht sehr oft.«
    »War das früher anders? Hatte Cleopatra viele Freunde?«
    »Ja.«
    »Irgendwelche besonderen Freunde?«
    Sie schaute
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