Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Cleopatra

Cleopatra

Titel: Cleopatra
Autoren: Felix Thijssen
Vom Netzwerk:
Jahren losgebrochen war, als er seinen Abschied als Staatsanwalt genommen hatte. Er weigerte sich, einen ›Deal‹ mit einem berüchtigten Gangsterboss zu akzeptieren, der straflos davonzukommen drohte, indem er als Kronzeuge auftrat. Die Presse hatte ihn als nationales Monument von Integrität bejubelt. Natürlich ist er das auch und er nutzt es zu seinem Vorteil. Die Kunden strömen ihm zu.
    Ich zog mein Notizbuch heraus, in der Hoffnung, nicht noch mehr Fragen mit halben Wahrheiten und ganzen Lügen beantworten zu müssen.
    »Und warum wird dieser bestimmte Aspekt nicht von Kommissar Vrijman und den anderen Kriminalbeamten untersucht?«
    »Das weiß ich nicht, Mevrouw. Manchmal eignet sich ein Außenstehender eben besser für die Durchführung einer diskreten Untersuchung.«
    »Diskret, sagen Sie?«
    »Ja.«
    »Das will ich Ihnen aber auch geraten haben«, meinte sie brüsk.
    Ich presste die Kiefer aufeinander. »Ich arbeite nicht für ein Boulevardblatt!«
    Sie blickte mich entschuldigend an. Ihre Stimmungen schlugen so schnell um wie Quecksilber. »Möchten Sie wirklich nichts trinken?«, fragte sie dann.
    »Soll das eine Wiedergutmachung sein?«
    »Ja«, gab sie zu und lachte leise. Kleine Altglöckchen.
    »Hauptsache, es ist kein Tee!«
    Sie stand auf und ging mit entschlossenen Schritten zum Büfett hinüber. Ich dachte, sie würde nun kleine Türen öffnen, hinter denen eine Bar verborgen war, aber so etwas gab es in anderen Häusern. Hier drückte man einfach auf einen Knopf. Ich stellte mir vor, es gäbe in der Küche einen kleinen Schrank, in dem die Nummer dieses Zimmers herunterklappte, so dass der Butler sofort durch die riesige Marmoreingangshalle hastete, weil seine Dienste verlangt wurden, doch das Zimmermädchen kam sofort herein, als habe sie hinter der Tür gewartet.
    »Eis, bringen Sie uns bitte etwas zu trinken.« Helene Cleveringa taxierte mich eine Sekunde lang. »Cognac«, beschloss sie. »Und für mich Sherry.«
    Das Mädchen verschwand.
    Helene kehrte zu ihrem Stuhl zurück. Sie strich sich über ihren Rock. »War das richtig?«
    »Können Sie Gedanken lesen?«
    »Ich weiß immer, was die Leute trinken. Und Sie erinnern mich an jemanden. Auch Cognactrinker.«
    »Ein Freund?«
    »Ja. Aber was Sie sind, weiß ich noch nicht.« Die Grübchen erschienen wieder in ihren Mundwinkeln. »Sie trinken also während der Dienstzeit.«
    »Aber nur in Maßen«, erwiderte ich.
    »Kommissar Vrijman wollte noch nicht einmal ein Glas Limonade von mir annehmen.«
    »Die Tugenden werden eben willkürlich über die Menschheit verteilt.«
    Eis kam zurück und stellte ein Tablett mit Gläsern und Kristall ab. Keine Erdnüsse, sondern mit Anchovis und Mandeln gefüllte Oliven in einem Schüsselchen aus hauchzartem chinesischen Porzellan.
    Helene schickte das Mädchen weg und schenkte mir aus einer Kristallkaraffe Cognac ein. Sie nahm einen Schluck von ihrem Sherry, ohne mir zuzuprosten. Ich nippte am Cognac; mindestens ein fine champagne von Napoleon oder jedenfalls aus dessen Epoche.
    Ich blickte Helene an und fand, dass sie sich vorbildlich beherrschte für jemanden, unter dessen Tennisplatz ein Skelett ohne Kopf und Hände gefunden worden war.
    »Mein Mann ist in Straßburg«, sagte sie. »Ich erwarte ihn nicht vor morgen zurück.«
    Ich nickte. »Haben Sie seine erste Ehefrau gekannt?«
    »Nein. Sie ist verunglückt, bevor ich Josef kennen lernte.« Sie blickte durch die hohen Fenster hinaus zu den Buchen, dem Teepavillon und dem Fluss, als wolle sie nicht an eine Vergangenheit erinnert werden, an der sie keinen Anteil gehabt hatte.
    »Sie haben doch gewiss über sie gesprochen.«
    »Ja, natürlich.« Sie wandte sich mir wieder zu. »Es ist lange her. Ich war noch nicht mit ihm verheiratet; es war vor meiner Zeit. Sie hat doch nichts mit dem Tennisplatz zu tun?«
    Sie vermied den Namen.
    »Wahrscheinlich nicht. Ich versuche nur, mir ein vollständiges Bild von der Zeit zu verschaffen, als Ihre Vorgängerin verunglückte.«
    Ich sah, wie ihre Miene bei meiner Wortwahl für einen Moment frostig wurde. Es gibt keine Frau auf der Welt, die es angenehm findet, an Vorgängerinnen erinnert zu werden, und höchstens eine von zehn hadert nicht mit der Vergangenheit ihres Mannes. Während der Rosenduft-und-Mondschein-Phase demonstrieren die übrigen neun großmütiges Wohlwollen gegenüber allen vorherigen Frauen und Geliebten, deren Fotos man in der Schreibtischschublade aufbewahrt, doch schon bald wird man
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher