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Cleopatra

Cleopatra

Titel: Cleopatra
Autoren: Felix Thijssen
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sich. Aber Scholte ist der eigentliche böse Genius.«
    »Hat er ihn gewarnt?«
    Ich blickte den toten Mann an. Mich beschlich das merkwürdige Gefühl, dass er seinem Freund den Mord an Cleo nie hatte vergeben können und dass er ihm diesen Ausweg nicht gegönnt hatte. »Wahrscheinlich nicht«, sagte ich. »Aber ich würde ihn trotzdem lieber sofort verhaften lassen, bevor er von dieser Sache hier Wind bekommt.«
    »Bleib da und sorge dafür, dass alle die Finger vom Telefon lassen. Ich regele den Rest.« Bernard legte auf.
    Ich faxte das Geständnis Cleveringas von seinem Apparat aus an Bremer und schob das Original zurück in den Umschlag. Bevor ich die Tür aufschloss, steckte ich ihn in meine Tasche.
    Helene und Lonneke standen im Flur. Von irgendwoher im Haus hörte man weinende Kinder und Glinkas beruhigende Stimme. Helene wollte das Arbeitszimmer betreten, aber ich hielt sie zurück.
    »Sie können nichts mehr für ihn tun; es tut mir Leid.« Ich schloss die Tür ab und steckte den Schlüssel in die Tasche. »Ich habe die Justizbehörden benachrichtigt und man wird alles Nötige veranlassen.«
    »Ist er tot?«, fragte sie. Sie sah sehr bleich aus, aber ihre Augen waren trocken.
    Ich nickte. »Soll ich Ihren Hausarzt benachrichtigen?«
    Sie schüttelte den Kopf. »Warum hat er das getan?«
    »Wir sollten jetzt besser nach unten gehen.«
    Ich nahm ihren Arm, aber sie schüttelte mich ungeduldig ab. »Sie könnten mir wenigstens meine Frage beantworten«, sagte sie heiser. »Die Frau unter dem Tennisplatz, war das Cleopatra?«
    »Ja.«
    »Hat Josef sie ermordet?«
    »Ich glaube, dass er sich zumindest mitschuldig fühlte.«
    Sie starrte mich mit einer merkwürdigen Mischung von Gefühlen an, darunter auch Hass, ohne im Moment genau zu wissen, gegen wen sie ihn richten sollte: auf mich, weil ich ihre Welt zerstört hatte, oder auf ihren Mann oder auf das Schicksal, das ihr vorbestimmt hatte, einen Mörder zu heiraten. Sie schaute Lonneke an, die starr und schweigend daneben stand.
    »Du hattest also Recht«, sagte sie.
    Lonneke wandte den Blick ab.
    Helene presste die Lippen zusammen und ging die Treppe hinunter. Wir folgten ihr, aber als sie durch die Halle in den Salon ging, hielt Lonneke mich zurück. »Lassen Sie sie. Sie machen alles nur noch schlimmer.«
    Wir blieben stehen und schauten uns an. Meine Klientin lächelte vage und unergründlich, genau so wie Cleopatra mich nun schon seit Wochen anlächelte.
    »Wo befindet sich die Telefonzentrale?«, fragte ich.
    »Niemand wird telefonieren«, sagte Lonneke. »Es gibt nichts mehr, weswegen man telefonieren müsste.«
    Ich warf einen Blick auf den Apparat, der sechs Meter Marmor von mir entfernt auf einem antiken Beistelltischchen stand. »Wie bekomme ich eine Verbindung zum Kutschenhaus?«
    »Mit der Zweiundzwanzig, aber sie haben bestimmt nichts gehört, sonst wären sie längst hier.«
    Sie hatte natürlich Recht. »Ist noch anderes Personal im Haus?«
    »Nein, nur Glinka.«
    »Wir brauchen jetzt nur noch abzuwarten«, sagte ich. »Ich könnte einen Cognac gebrauchen.«
    Sie nickte und ging voraus in ein kleines Nebenzimmer mit einem offenen Kamin, der nicht brannte. Es ähnelte der Art von deprimierender Lounge, wie man sie noch in englischen und irischen Hotels auf dem Land findet, mit einem Ledersofa und sogar einem Fernseher. Lonneke öffnete ein Büfett und holte Cognac und Gläser heraus. Sie verrückte einen Sessel, um die Halle im Blickfeld zu behalten. Sie reichte mir ein Glas.
    »Sie machen ja einen relativ ruhigen Eindruck«, bemerkte ich.
    Lonneke ging zurück zum Büfett, nahm das Glas, das sie für sich eingeschenkt hatte, und trank schweigend einen Schluck. Der Schrecken war vorüber, falls es überhaupt einer für sie gewesen war. Sie wirkte vollkommen beherrscht.
    Mir fiel ein, dass meine Klientin jetzt außer Vollwaise auch die Alleinerbin war.
    »War das Ihre Absicht?«, fragte ich.
    »Sie meinen, von Anfang an?« Sie schüttelte den Kopf.
    »Was haben Sie zu ihm gesagt?«
    »Dass ich schon immer gewusst habe, dass meine Mutter nicht mit diesem Flugzeug abgestürzt war. Dass ich seit jeher vermutete, er habe sie ermordet, und dass ich mir ganz sicher war, als man das Skelett gefunden hat. Dass ich eine Untersuchung habe durchführen lassen und dass ich es jetzt auch beweisen könne.«
    »Was sagte er dazu?«
    »Nichts. Er saß nur da und starrte mich an. Manchmal haben Menschen einfach überhaupt keinen Ausdruck in den Augen.« Sie setzte
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