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Cleopatra

Cleopatra

Titel: Cleopatra
Autoren: Felix Thijssen
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mich mit ausdruckslosem Blick an. Lonneke oder Lonnekes Kindern gegenüber mochte sie vielleicht die mütterliche und humorvolle russische Bäuerin sein – mir gegenüber nicht. »Das weiß ich nicht.«
    »Durch die Schwimmbecken-Idee hat es hier eine Menge Aufregung gegeben. Meneer Josef bereut es sicher, dass er den Tennisplatz hat aufreißen lassen.«
    »Er war gar nicht da; er war in Rom.«
    »Ach?«
    »Es war eine Idee von Mevrouw Helene und Lonneke. Sie wollten ihn damit überraschen.«
    Das überraschte mich wiederum. Laut Helene hatte der Minister die Entscheidung getroffen, das Schwimmbecken anlegen zu lassen. Aber das musste nicht unbedingt etwas bedeuten. Vielleicht war es ihr einfach nicht wichtig genug. Oder sie wollte ihren Mann schützen.
    »War es eine gute Ehe?«, fragte ich. »Die erste, meine ich.«
    Glinka schnupperte und ging hinüber zu einem Ofen, wo sie einen Topf auf eine weniger heiße Stelle schob. Als sie den Deckel hob, um einen prüfenden Blick auf den Inhalt zu werfen, roch ich den angenehmen Duft von gekochten Pflaumen und Rosmarin.
    »Das geht mich nichts an«, sagte sie, den Rücken zu mir gewandt.
    »Cleopatra hat doch bestimmt mit Ihnen gesprochen? Sie sind schon so lange bei der Familie – da könnte ich mir vorstellen, dass sie Ihnen hier in der Küche manchmal das Herz ausschüttete.«
    Der Deckel schwebte einen Augenblick reglos über dem Topf. »Sie zog mich nicht ins Vertrauen.« »Hatte sie keine besonders enge Freundin?«
    Glinka kam wieder zurück. »Sie hatte eine Freundin, die oft zu Besuch kam und mit der sie auch ausging.« Sie äußerte sich nicht weiter dazu, doch ihr Gesichtsausdruck verriet, dass ihr diese Freundin wenig sympathisch gewesen war.
    »Können Sie sich noch an ihren Namen erinnern?«
    »Frau Mending. Ich glaube, sie kam aus Utrecht.«
    »Kennen Sie ihren Vornamen?«
    »Clara.«
    »Warum mochten Sie sie nicht?«
    Sie runzelte die Stirn. »Das habe ich nicht gesagt.«
    »Stimmt. Kam sie auch nach dem Unglück noch zu Besuch? Vielleicht wegen Lonneke?«
    »Sie interessierte sich nicht besonders für Lonneke. Das Einzige, was sie interessierte, war …« Sie zögerte einen Moment. »Jung und fröhlich sein«, sagte sie dann. »Als bliebe man immer ein Backfisch.«
    »Sie kam also nicht mehr hierher?«
    »Praktisch niemand kam mehr, außer Herr Scholte, ein alter Freund. Er tat sein Möglichstes, um Meneer Josef zu trösten.«
    »War Cleopatras Tod ein schwerer Schlag für ihn?«
    Sie presste die Lippen aufeinander und antwortete nicht.
    »Hat es Streit gegeben?«, fragte ich auf gut Glück.
    »Meneer Josef streitet sich nicht.«
    »Außer, als sie ihm erzählte, dass sie aus heiterem Himmel beschlossen hatte, mit einer Freundin nach Teneriffa zu fliegen, nicht wahr?«
    »Er war nicht gerade begeistert.«
    »Wissen Sie, wer diese Freundin war?«
    »Nein.«
    »Nicht Clara Mending?«
    »Nicht dass ich wüsste. Nein, sie kann es natürlich nicht gewesen sein.«
    »Warum nicht?« »Weil es eine Liste der Passagiere gab, die umgekommen waren. Wir hätten es erfahren, wenn sie dabei gewesen wäre.«
    »Ich meine, wenn diese Clara ihre beste Freundin war, dann wäre es doch logisch gewesen, wenn sie mit ihr zusammen in den Urlaub gefahren wäre?«
    »Ich weiß nicht.«
    Ihre Antwort klang spröde. Irgendetwas anderes musste noch dahinter stecken, aber ich konnte nicht herauskriegen, was es war. »Haben Sie gesehen, wie Cleopatra wegfuhr?«
    Ein Schatten fiel über ihr Gesicht.
    »Es war das letzte Mal, dass Sie sie lebend gesehen haben«, stellte ich fest. »Hat die Freundin sie abgeholt?«
    »Nein, sie nahm ein Taxi.«
    »Woran können Sie sich noch erinnern?«
    Sie schwieg einige Sekunden lang, als müsse sie Atem schöpfen. »Ich war in der Eingangshalle. Sie kam herunter, mit zwei Koffern. Meneer Josef lief hinter ihr her. Er wollte die Koffer für sie tragen, doch sie stellte sie vor mich hin und sagte: ›Bringen Sie sie zum Taxi.‹ Meneer Josef sagte: ›Cleo, bitte, denk doch noch einmal darüber nach.‹ Ich ging mit den Koffern nach draußen und habe nicht gehört, was sie danach noch sprachen. Ich übergab die Koffer dem Taxifahrer. Meneer Josef stand in der Tür. Er sagte nichts, aber das würde er in Gegenwart anderer Leute nie tun. Sie stieg ins Taxi und fuhr weg.«
    »Sie wissen alles noch sehr genau.«
    Natürlich wusste sie alles noch genau. Jedes Detail des Augenblicks, in dem sie praktisch zu Lonnekes Mutter wurde, würde für immer in ihrer
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