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Angela Merkel - Ein Irrtum

Angela Merkel - Ein Irrtum

Titel: Angela Merkel - Ein Irrtum
Autoren: Cora Stephan
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VORWORT
Von »Angie« zu »Tina«: Haben wir uns in Angela Merkel geirrt?
    Ja, ich habe Angela Merkel gewählt, damals, 2005. Die Frau mit dem »neuen Anfang«. Mit dem Aufbruch. Die ohne »Basta«, Cohiba und schwere Rotweine. Und das hab ich nun davon.
    Statt Angie habe ich mir Tina eingehandelt – »there is no alternative« 1 . Eine Frau, die ihre Entscheidungen »alternativlos« nennt, damit ihr niemand widersprechen kann, und die matt vor sich hinregiert. Eine Frau, die mir Rätsel aufgibt, täglich mehr. In der ich auch optisch nichts mehr von Angie, der Unwahrscheinlichen, wiederfinde. Ob man sie heimlich ausgetauscht hat?
    Tina, diese dreiwettertaft-coiffierte Dame mit den strahlenden Blauaugen und dem freundlichen Lächeln, ist unwirklich. Angie war das Mädchen mit der schlichten Frisur, dem Schlabberrock und der Strickjacke, das bei den Fischern von Lobbe am Holztisch hockte und Pflaumenkuchen konnte. Tina sitzt mit den Mächtigen der Welt an gedeckten Tafeln, trägt meistens Hosenanzug und lädt zu »Gipfeln« ins Kanzleramt, bei denen nichts herauskommt.
    Angie hat sich unbekümmert über Männer und Mächte hinweggesetzt, bis sie selbst die Macht in Händen hielt. Tina verwaltet das Erreichte. Als Mutti. Sie hat ihre Qualitäten,
zweifellos. Aber ich frage mich, ob man ihr nicht langsam das Haushaltsportemonnaie wegnehmen sollte.
    Es liegen nicht nur die Jahre zwischen den beiden, fast zwei Jahrzehnte, in denen wir alle uns verändert haben. Es muss noch etwas anderes passiert sein, unterwegs, auf dem Weg von Angie zu Tina.
    Aber was?
    Ich habe 2005 ganz gewiss keine Tina gewählt. Sondern eine Frau mit DDR-Biografie, eine kühle Naturwissenschaftlerin, die so ganz anders war als die üblichen Verdächtigen des westdeutschen Politbetriebs. Sie roch nicht nach Parteistall oder biergesättigten Hinterzimmern, hing nicht in Seilschaften, kungelte nicht in Klüngeln.
    Sie wehte mit einer Brise nördlicher Kühle in den Klub, brachte es aber zugleich fertig, von der »Sehnsucht nach dem Meer« zu sprechen, wenn sie Parteitagsreden hielt. Versprach Nüchternheit und Klarheit, Mut und Aufbruchswillen. Deutschland kann mehr. Deutschland nach vorn. Grundlegend anders. Grundlegend besser.
    Gewiss, das sagen sie alle. Immer wieder. Auch, dass man jetzt endlich die notwendigen Reformen anpacken müsse. Steuerreform. Gesundheitsreform. Rentenreform. Aber Angie sprach auch von der Freiheit, von deren Wert sie als ehemalige DDR-Insassin vielleicht mehr verstand als alle, denen Freiheit zeitlebens selbstverständlich war. Und sie wirkte für einen mehr oder weniger langen Augenblick in der Geschichte – glaubwürdig. Der höchste Imagewert, den ein Politiker erreichen kann. Sie hatte mein Vertrauen.

    Und dann war sie Kanzlerin. Und hat sich mehr und mehr als Frau entpuppt, deren Aufbruchswille irgendwo unterwegs verloren gegangen war. Wo waren Mut und Klarheit geblieben, der Geist und der Wille, neue Pfade einzuschlagen, die Kraft der Freiheit? Wo war die Frau, die »Die Wahrheit ist konkret« sagte oder »Ohne Freiheit ist alles nichts«? 2 Die »Reformmotor« sein wollte, einen »Befreiungsschlag« ankündigte, weil der Bürger einen Anspruch darauf habe, dass das Land »ordentlich regiert« wird? 3
    Böse Zungen vergleichen die Kanzlerin heute mit Teflon, wie Wikileaks jüngst enthüllte. Teflon wie: »Auf ihrer beschichteten Oberfläche hinterlässt die Wirklichkeit keine Spuren«? Oder wie: »Bei Mutti wird nichts so heiß gegessen, wie es gekocht wurde«?
    Statt Angie hab ich mir also Teflon-Tina eingehandelt. Alternativlos. Klingt wie atemlos. Wie aussichtslos. Was ist geschehen?
    Sicher, wer sich andere »Aufbrüche« anschaut, etwa den von Rot-Grün im Jahr 1998, kennt das Phänomen. Wahlkampf ist Wahlkampf, Regierung ist Regierung, was schert mich mein Geschwätz von gestern. Und: Kaum eine der Wahlkampfkanonen scheint nach gewonnener Schlacht so richtig auf die Folgen eines Sieges vorbereitet gewesen zu sein. Wie sonst ist die große Lähmung zu erklären, die die meisten Sieger übermannt?
    Also das sei nun wirklich alternativlos, habe ich mir von einem Maulwurf sagen lassen, der sich ziemlich nah am Zentrum der Macht aufhält. Es sei mit der Kanzlerschaft
wie beim Eintritt in eine Geheimgesellschaft: Nur wer alle Schlachten siegreich geschlagen hat, kann Logenmeister werden. Doch erst nachdem er den Amtseid geschworen hat und kurz bevor ihm die Kette seiner Würde umgelegt wird, vertraue der alte dem
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